Im Bereich der Verfahrenstechnik arbeiten Forschende verschiedener Lehrstühle der TU Kaiserslautern und des Fraunhofer ITWM intensiv zusammen. Am Freitag, den 04.11.2022, trafen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Mathematik, der Informatik und dem Ingenieurwesen am Fraunhofer ITWM zum sechsten »Tag der Verfahrenstechnik«. An die 70 Teilnehmende nutzten die Gelegenheit zum interdisziplinären Dialog. Die Veranstaltung wurde organisiert unter dem Dach des Leistungszentrums Simulations- und Software-basierte Innovation.
Die beiden Organisatoren Prof. Dr. Michael Bortz vom Fraunhofer ITWM und Prof. Dr.-Ing. Hans Hasse von der TU Kaiserslautern sprechen im Interview über die Inhalte und Ziele der Veranstaltung:
Was ist das Besondere an der Veranstaltung?
Michael Bortz: Die Veranstaltung zeigt den hohen Grad der Vernetzung am Standort Kaiserslautern, wenn es um Digitalisierung in der Verfahrenstechnik geht: Vernetzung zwischen der TU und dem Fraunhofer ITWM, aber auch Vernetzung zwischen den Disziplinen Verfahrenstechnik, Informatik und Mathematik.
Wie sieht denn die Vernetzung in der Praxis aus?
Hans Hasse: Die Vernetzung ist eng und findet auf vielen Ebenen statt. Im Zentrum stehen dabei gemeinsame Forschungsvorhaben, oft zusammen mit Partnern aus der Industrie, aber auch große grundlagenorientierte Projekte, wie die Forschungsgruppe »Deep Anomaly Detection on Sparse Chemical Process Data«, die am 01.10.2022 gestartet ist und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für vier Jahre finanziert wird – mit der Perspektive einer Verlängerung um weitere vier Jahre. Der Austausch ist eng und vielfältig: Treffen auf der Arbeitsebene finden fast täglich statt und auch strategische Fragen werden regelmäßig gemeinsam diskutiert. Das Fraunhofer-Leistungszentrum »Simulations- und Softwarebasiere Innovation« bietet hierfür einen hervorragenden Rahmen.
Welche aktuellen Themen wurden besonders intensiv diskutiert?
Michael Bortz: Es gibt viel Interesse am Einsatz von Maschinellen Lernverfahren in der traditionell wissensbasierten Domäne der Verfahrenstechnik. Wie können Lernverfahren so angepasst und eingesetzt werden, dass ein echter Mehrwert beispielsweise für die Rohstoff- und Energieeffizienz entsteht?
Können Sie ein Beispiel nennen, wie Maschinelles Lernen zu mehr Rohstoff- und Energieeffizienz führen kann?
Hans Hasse: Die Energiewende und die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft stellen die Industrie vor enorme Herausforderungen. Im Klartext: es müssen, und zwar in kurzer Zeit, sehr viele der bestehenden Prozesse überarbeitet werden und oft auch ganz neue Prozesse entwickelt werden. Dies ist mit den klassischen Methoden allein überhaupt nicht leistbar. Das Maschinelle Lernen kann hier in vieler Hinsicht helfen: das Spektrum reicht von der Vorhersage von Stoffdaten von Mischungen, die noch nie vermessen wurden, bis hin zur automatischen Synthese neuer Prozessrouten und deren Optimierung.
Wie und warum hat sich der thematische Schwerpunkt seit dem letzten Tag der Verfahrenstechnik 2019 verlagert?
Michael Bortz: Der letzte Tag der Verfahrenstechnik bestand in einem Austausch zwischen den beteiligten Ingenieurs-Lehrstühlen an der TU Kasiserslauern und den Abteilungen am Fraunhofer ITWM. Mit dem Tag der Verfahrenstechnik 2022 beziehen wir die Informatik- und Mathematik-Kompetenzen zum Maschinellen Lernen (ML) aktiv mit ein. Angesichts verschiedener bewilligter Kooperationsprojekte, die zwischen diesen Akteuren gerade anlaufen, kann der diesjährige Tag der Verfahrenstechnik auch als Kick-off für diese Projekte angesehen werden.
Können Sie mehr zu den Inhalten dieser Projekte sagen?
Hans Hasse: In der oben erwähnten Forschungsgruppe geht es darum, mit Anomalien in chemischen Produktionsprozessen zu entdecken. Das ist eine ungeheuer wichtige Aufgabe, denn wir reden hier auch über die Frage, ob eine Anlage im sicheren Betrieb ist oder nicht. Natürlich gibt es dafür bestehende Methoden, aber mit dem maschinellen Lernen können die extrem umfangreichen und verschiedenartigen Daten, die über den Zustand von Anlagen vorliegen, erstmals in der Gesamtschau in den Blick genommen und ausgewertet werden. Die Ergebnisse werden nicht nur für die chemische Industrie, sondern auch für viele andere Industriezweige, hoch interessant sein.
Wo geht die Reise hin? Wann ist der nächste Tag der Verfahrenstechnik geplant und welche Fragen werden bis dahin interessant sein?
Michael Bortz: Im nächsten Jahr wird es mit der MMiPE (Mathematical Methods in Process Engineering) wieder einen internationalen Workshop zu Themen der Digitalisierung in der Verfahrenstechnik geben. Der nächste Tag der Verfahrenstechnik wird 2024 stattfinden. Es wird dann spannend sein zu sehen, über welche neuen Fortschritte beim Einsatz von maschinellen Lernverfahren in der Verfahrenstechnik berichtet werden kann.
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Kaiserslautern, 08.11.2022