Roman: Fatma Aydemir – Dschinns
Dreißig Jahre hat Hüseyin in Deutschland gearbeitet, nun erfüllt er sich endlich seinen Traum: eine Eigentumswohnung in Istanbul. Nur um am Tag des Einzugs an einem Herzinfarkt zu sterben. Zur Beerdigung reist ihm seine Familie aus Deutschland nach. Fatma Aydemirs Roman erzählt von sechs grundverschiedenen Menschen, die zufällig miteinander verwandt sind. Alle haben sie ihr eigenes Gepäck dabei: Geheimnisse, Wünsche, Wunden. Was sie jedoch vereint: das Gefühl, dass sie in Hüseyins Wohnung jemand beobachtet. Aydemirs Roman erzählt von einer türkischen Migrantenfamilie und den Schwierigkeiten des Ankommens in einem fremden abweisenden Land.
Roman
Kristine Bilkau – Nebenan
Ein kleiner Ort am Nord-Ostsee-Kanal, zwischen Natur, Kreisstadt und Industrie, kurz nach dem Jahreswechsel. Mitten aus dem Alltag heraus verschwindet eine Familie spurlos. Die Nachbarn umkreisen gedanklich das Haus: Julia – mit ihrem Freund erst vor Kurzem aus der Großstadt hergezogen – wünscht sich vergeblich ein Kind wünscht und betreibt einen kleinen Keramikladen. Astrid, Anfang sechzig, die seit Jahrzehnten eine Praxis in der nahen Kreisstadt führt und sich um die alt gewordene Tante sorgt. Dann taucht im Garten der verschwundenen Familie ein Kind auf. Alle kreisen wie Fremde umeinander, wollen Verbundenheit und ziehen sich doch ins Private zurück und suchen, wonach wir alle uns sehnen: Geborgenheit, Zugehörigkeit und Vertrautheit.
Sachbuch
Daniela Dröscher – Lügen über meine Mutter
»Lügen über meine Mutter« ist zweierlei zugleich: die Erzählung einer Kindheit im Hunsrück der 1980er, die immer stärker beherrscht wird von der fixen Idee des Vaters, das Übergewicht seiner Frau wäre verantwortlich für alles, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, der soziale Aufstieg, die Anerkennung in der Dorfgemeinschaft. Und es ist eine Befragung des Geschehens aus der heutigen Perspektive: Was ist damals wirklich passiert? Was wurde verheimlicht, worüber wurde gelogen? Daniela Dröscher lässt ihr kindliches Alter Ego die Jahre, in denen sich dieses »Kammerspiel namens Familie« abspielte, noch einmal durchleben. Entstanden ist ein tragik-komisches Buch über eine starke Frau, die nicht aufhört, für die Selbstbestimmung über ihr Leben zu kämpfen.
Roman
Jan Faktor – Trottel
Ein eigensinniger Erzähler, Schriftsteller, gebürtiger Tscheche und begnadeter Trottel, erinnert sich an ein Leben, in dem immer alles anders kam, als gedacht. Ihren Anfang nimmt die Geschichte in Prag, nach dem sowjetischen Einmarsch. Auf den Rat einer Tante hin studiert der Jungtrottel Informatik, hält aber nicht lange durch. Dafür macht er erste groteske Erfahrungen mit der Liebe, langweilt sich in einem Büro für Lügenstatistiken und fährt schließlich Armeebrötchen aus. Nach einer denkwürdigen Begegnung mit der »Teutonenhorde«, zu der auch seine spätere Frau gehört, »emigriert« er nach Ostberlin und taucht ein in die schräge, politische Undergroundszene des Prenzlauer Bergs. Der anarchische Erzähler Jan Faktor hat einen wunderbar verspielten, funkelnden Schelmenroman geschrieben und ist für uns ein heißer Buchpreisfavorit.
Roman
Kim de l’Horizon – Blutbuch
Aufgewachsen in einem schäbigen Schweizer Vorort, lebt die Erzählfigur mittlerweile in Zürich, ist den engen Strukturen der Herkunft entkommen und fühlt sich im nonbinären Körper und in der eigenen Sexualität wohl. Doch dann erkrankt die Großmutter an Demenz, und das Ich beginnt, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen: Warum sind da nur bruchstückhafte Erinnerungen an die eigene Kindheit? Wieso vermag sich die Großmutter kaum von ihrer früh verstorbenen Schwester abzugrenzen? Und was geschah mit der Großtante, die als junge Frau verschwand? Die Erzählfigur stemmt sich gegen die Schweigekultur der Mütter und forscht nach der nicht tradierten weiblichen Blutslinie. Kim de l’Horizons Roman ist stilistisch und formal ein Befreiungsakt von den Dingen, die wir ungefragt weitertragen: Geschlechter, Traumata, Klassenzugehörigkeiten.
Roman
Eckhart Nickel – Spitzweg
Was ist Kunst? Fenster auf die Welt und Spiegel der Seele oder doch nur ein Rätselbild, in dem man „Original und Fälschung“ unterscheidet? Der Erzähler in „Spitzweg“ lernt durch Carl, der kurz vor dem Abitur neu auf seine Schule kommt, wie das geht: Kunst als Daseinsform. Gemeinsam huldigen sie in einem erhabenen Versteck dem Schönen. Als die von beiden verehrte Kirsten ein Selbstporträt anfertigt, dem die Lehrerin „Mut zur Hässlichkeit“ bescheinigt, bringt das Dynamik in die Ereignisse. Kunstwerke entstehen und verschwinden, Kirsten taucht auf und wieder ab und die drei stehen immer wieder an Abgründen.
Quelle Text/Bild:
buchhandlung blaue blume
Richard-Wagner-Str. 46
67655 Kaiserslautern
www.buchhandlung-blaue-blume.de
Kaiserslautern, 22.09.2022