Der Klimawandel hat Rheinland-Pfalz längst erreicht. Um rund 1,4 Grad Celsius hat sich in den vergangenen 130 Jahren die Jahrestemperatur erhöht. Das im Pariser Klimaabkommen formulierte Ziel, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts weltweit durchschnittlich auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wird in Rheinland-Pfalz wohl überschritten werden. Um dem entgegenzuwirken, ist es wesentlich die im Klimaschutzgesetz formulierten Ziele im Blick zu behalten und mithilfe der wichtigsten Akteure im Land – den Kommunen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen – umzusetzen. Der dritte Statusbericht zur Energiewende der Energieagentur Rheinland-Pfalz gibt Einblicke in den Stand und die Fortschritte der Energiewende im Land. Er ergänzt die statistischen Daten zu Strom, Wärme, Erneuerbaren Energien und nachhaltiger Mobilität im Energieatlas Rheinland-Pfalz und betrachtet mit den Jahren 2018/2019 den aktuellsten verfügbaren Datenzeitraum. „Monitoring und Klimaschutzcontrolling bilden das notwendige Fundament für ambitionierten und zielgerichteten Klimaschutz.
Ohne dieses Fundament sind wir blind bei der Bewertung und Steuerung der Anstrengungen auf kommunaler- und Landesebene. Daher ist es uns als Energieagentur Rheinland-Pfalz ein wesentliches Anliegen für Klimaschutzmaßnahmen und die Treibhausgasbilanzierung abgestimmte Instrumente und eine konsistente Methodik vorzuhalten, um eine Vergleichbarkeit auf kommunaler Ebene sowie eine Konsolidierung der Ergebnisse auf Landes- und Bundesebene zu ermöglichen“, sagt Michael Hauer, Geschäftsführer der Energieagentur Rheinland-Pfalz. Der Statusbericht kann kostenfrei auf der Website der Energieagentur Rheinland-Pfalz unter www.earlp.de/statusbericht heruntergeladen werden.
Rheinland-Pfalz ist auf gutem Weg, steht aber weiterhin vor gewaltigen Anstrengungen
Das Gute vorneweg: In Rheinland-Pfalz nahmen 2019 die Erneuerbaren Energien im Strombereich bereits einen Anteil von 51 Prozent der Stromerzeugung ein. Damit ist Rheinland-Pfalz seinem Ziel, das Land bis 2030 bilanziell zu 100 Prozent mit Strom aus Erneuerbaren Energien zu versorgen, ein Stück nähergekommen. Allerdings wurde – laut Statistischem Landesamt – 2018 ein Drittel des Endenergiebedarfs durch fossile Energieträger gedeckt. Das zeigt: Dem Stromsektor kommt künftig eine strategische Rolle bei der Minderung der Treibhausgasemissionen zu. Strom aus erneuerbaren Energiequellen kann sowohl im Wärme-, Verkehrs und Stoffstrombereich fossile Energieträger ersetzen und helfen alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche zu dekarbonisieren. Ein massiv steigender Strombedarf durch grünen Wasserstoff, synthetisch hergestellte stoffliche Energieträger, Elektromobilität und Wärmepumpeneinsatz erfordert gewaltige Anstrengungen. Alleine um den heutigen Strombedarf laut Landesklimaziel erneuerbar zu decken, müsste die Anzahl der Windkraftanlagen in Rheinland-Pfalz bis 2030 verdoppelt werden, auf 8 Gigawatt (GW) installierte Leistung (derzeit 3,7 GW). Bei der Photovoltaik (PV) müsste die installierte Leistung auf insgesamt 7,5 GW (derzeit rund 2,5 GW) verdreifacht werden. Das hieße, dass kalkulatorisch eine Zubaurate von mindestens 500 Megawatt (MW) pro Jahr erforderlich wäre. Mit dem Solar-Speicher-Programm der Landesregierung ist ein erster Schritt getan. Bei Anlagenleistungen von fünf bis zehn Kilowatt, die typisch sind für private Haushalte, konnte 2020 ein 69 Prozent höherer Zubau von PV gegenüber 2019 verzeichnet werden. Auch der Bau von PV-Freiflächenanlagen wurde durch die im November 2018 von der Landesregierung verabschiedete Freiflächenverordnung erleichtert und forciert.
Im Wärme- und Verkehrssektor müssen größere Erfolge erzielt werden
In Rheinland-Pfalz sollen – laut Landesklimaschutzgesetz – die Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 90 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der Wärmesektor von essentieller Bedeutung. Aktuell emittiert Rheinland-Pfalz noch rund 32 Millionen Tonnen CO2Äq pro Jahr (vs. 50 Millionen Tonnen CO2Äq in 1990, lt. Quellenbilanz). Rund 58 Prozent des gesamten Bruttoendenergieverbrauchs entfallen im Land auf die Nutzung von Wärme und Kälte. Der Anteil an Erneuerbaren Energien im Wärmebereich liegt bei 11 Prozent. Um die Klimaziele zu erreichen, ist eine Kombination und Integration der einzelnen Technologien in Wärmenetze erforderlich. Ein Projekt in der Rhein-Hunsrück Gemeinde Ellern verdeutlicht, welches CO2-Einsparpotenzial in der Realisierung eines Nahwärmenetzes liegt: Das Netz, das von Bürgern initiiert wurde, versorgt 105 Häuser mit Wärme aus regenerativer Energie. Die Wärmeerzeugung in der Verbundlösung erfolgt durch einen Holzkessel mit 850 kW, einer großen thermischen Solaranlage mit einer Fläche von 1.200 Quadratmetern und einem Spitzenlastkessel auf der Basis von Heizöl. Der solare Nahwärmeverbund trägt für die angebundenen Verbraucher zu einer CO2-Einsparung von rund 87 Prozent bei, was sich wiederum auf die Energieausweise und die Werthaltigkeit der Liegenschaften positiv auswirkt. Auch weitere Kommunen wie beispielsweise Cochem-Zell haben Nahwärmenetze errichtet, die mit regenerativen Energien betrieben werden. Masterhausen plant ein Nahwärmenetz mit mehr als 300 Anschlussteilnehmern – es wird das größte in ganz Rheinland-Pfalz sein. Diese Projekte sollen Strahlkraft entwickeln, damit im Wärmesektor noch größere Erfolge für den Klimaschutz erzielt werden können.
Ähnlich wie im Wärmesektor hat auch der Verkehrssektor noch ein wesentliches Entwicklungspotenzial. In Rheinland-Pfalz werden rund 25 Prozent der energiebedingten Treibhausgasemissionen durch den Verkehr verursacht. Die Emissionen haben sich seit 1990 kaum verringert. Deshalb ist eine der größten Herausforderungen die, den Verkehrssektor klimaneutraler zu gestalten. Deutschland befindet sich derzeit in einer Phase des Markthochlaufs der Elektromobilität, was sich an den deutlich steigenden Zulassungszahlen im Pkw-Bereich zeigt. In Rheinland-Pfalz waren beispielsweise zum 1. Januar 2020 5.683 rein batterieelektrische Elektroautos zugelassen und 4.348 Plug-In-Hybride. Das entspricht einer Steigerung um 63 bzw. 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei rund 2,5 Millionen zugelassenen Pkw in Rheinland-Pfalz ist der Anteil der Elektrofahrzeuge mit 0,4 Prozent aber noch relativ gering. Wie der Schritt zur Elektromobilität erfolgen kann, zeigt Ludwigshafen. Im Rahmen des „Masterplans Green City“ hat die Stadt die Umstellung des städtischen Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge beschlossen. Bereits 25 Elektrofahrzeuge, darunter 18 Pkw und sieben Nutzfahrzeuge, wurden angeschafft und 40 Ladepunkte installiert. Mithilfe von Fördermitteln soll die Umstellung des Fuhrparks weiter vorangetrieben werden.
Energiewende birgt Chancen wie die regionale Wertschöpfung
Dass Energiewende und Klimaschutz nicht nur Herausforderungen mit sich bringen, sondern auch Chancen eröffnen, legt der Statusbericht im Kapitel „Regionale Wertschöpfung“ dar. Bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen beispielsweise bewirken die getätigten Investitionen Wertschöpfungs- und Struktureffekte, die zugleich für eine gute Klimaschutzkommunikation hilfreich sind und bei Bürgerinnen und Bürgern die Akzeptanz der Maßnahmen fördern. Die Rhein-Hunsrück Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen beispielsweise fördert seit den 90er Jahren Windkraft. Sie hat Solidarpakte abgeschlossen, an denen sich alle 44 Gemeinden beteiligten. Dadurch erhalten auch die 18 Gemeinden ohne eigene Pachteinnahmen aus Windkraftanlagen einen finanziellen Ausgleich. Rund 3,5 Millionen Euro fließen während der Pachtdauer jährlich in die Verbandsgemeinde beziehungsweise die Gemeinden. Diese Mittel wurden und werden zum Haushaltsausgleich oder für Investitionen gezielt eingesetzt und schaffen zukunftsrelevante Handlungsspielräume und Attraktivität vor Ort.
Um Wertschöpfungseffekte einfacher ermitteln zu können, haben die Agentur für erneuerbare Energien und das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung im Auftrag und in Kooperation mit der Energieagentur Rheinland-Pfalz 2020 eine Aktualisierung des Online-Wertschöpfungsrechners entwickelt. Dieser Rechner unterstützt Kommunen sowie andere Interessenten dabei, die kommunale Wertschöpfung durch den Ausbau Erneuerbarer Energien zu quantifizieren. Darüber hinaus wird der mit den Anlagen oder Anlagenparks vermiedene CO2-Ausstoß ermittelt und abgebildet. Der Wertschöpfungsrechner kann unter www.earlp.de/owr genutzt werden.
Für die Erstellung des Statusberichts 2020 wurden erstmalig die Daten aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur ausgewertet und mit Veröffentlichung auch im Energieatlas Rheinland-Pfalz freigeschaltet, um den Nutzern den Ausbau der Erneuerbaren Energien in ihrer eigenen Kommune darzustellen.
Die Energieagentur Rheinland-Pfalz unterstützt als kompetenter Dienstleister Kommunen und ihre Bürger sowie Unternehmen in Rheinland-Pfalz bei der Umsetzung von Aktivitäten zur Energiewende und zum Klimaschutz. Sie wurde 2012 als Einrichtung des Landes gegründet und informiert unabhängig, produkt- sowie anbieterneutral.
Quelle Text/Bild:
Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
Trippstadter Straße 122
67663 Kaiserslautern
www.energieagentur.rlp.de
Kaiserslautern, 12.03.2021