Ein Team des Fraunhofer ITWM hat Anfang Oktober den Innovation Award der European Association of Research and Technology Organisations (EARTO) in Brüssel erhalten. Ausgezeichnet wurde die interaktive Software zur Optimierung von Strahlentherapie in der Kategorie »Impact Delivered«. Das Tool aus dem Hause ITWM verbessert die Planung der Therapie von Krebspatienten.
Am 8. Oktober fand die 11. Verleihung des renommierten EARTO-Preises in den Königlichen Museen für Bildende Kunst Belgiens in Brüssel statt. Das EARTO-Netzwerk umfasst über 350 Forschungs- und Technologieorganisationen in mehr als 20 Ländern. Die EARTO-Mitglieder repräsentieren rund 150.000 hochqualifizierte Forschende. Herausragende Beispiele für angewandte Forschung ehrt die EARTO seit 2009 jährlich mit drei Preisen. Eine unabhängige Jury wählt Projekte aus, die das Potenzial haben, einen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Wandel zu initiieren.
Das sechsköpfige Team des Bereiches »Optimierung« am Fraunhofer ITWM (Prof. Dr. Karl-Heinz Küfer, PD Dr. Michael Bortz, Dr. Alexander Scherrer, Dr. Phil Süß, Dr. Katrin Teichert, Dr. Michal Walczak) hat sich gegen 260 europäische Mitbewerber um den Preis durchgesetzt. Es hat in mehr als 20 Jahren Arbeit eine interaktive und leicht zu bedienende Software entwickelt, die bei der Planung von Radiotherapie hilft.
Bei der Strahlentherapie muss ein guter Kompromiss zwischen einer wirksamen Tumorbehandlung und den Risiken für benachbartes gesundes Gewebe gefunden werden. Als Bereichsleiter Prof. Dr. Karl-Heinz Küfer zum ersten Mal miterlebte, wie die Bestrahlung von Krebspatienten geplant wird, war er überrascht: »Die Prozesse, mit denen Ärzte und Physiker gemeinsam Strahlentherapiepläne erstellten, erinnerten an das Suchen von Gegenständen im Dunkeln, an ein Herantasten und wieder Verwerfen«, beschreibt Küfer. Heute hilft Mathematik, eine bessere Balance zwischen Therapiechance und Nebenwirkungen zu finden.
Paradigmenwechsel in der Strahlentherapie
Früher saßen Therapieplaner vor Schnittbildern aus dem Computertomografen und versuchten in stundenlanger Tüftelei mit viel Erfahrung und Geduld durch Markieren kranker Bereiche im Bild ein dreidimensionales Bestrahlungsprofil zu entwerfen. Die Fraunhofer-Software leitete so einen Paradigmenwechsel in der klinischen Routine der Strahlentherapie ein. Die Software modelliert jetzt das Problem und errechnet bestmögliche Therapiepläne.
Das Tool verkürzt die Dauer der Planung um bis zu 80 Prozent, macht das Finden einer guten Balance zwischen Therapiechance und eventuellen Nebenwirkungen leichter und trägt letztlich zu verbesserten Heilungschancen bei. Die Anwendenden berichten von einer 30-prozentigen Reduzierung der Strahlendosis für gefährdete Organe und einer verbesserten Tumorabdeckung.
Die mathematische Methode dahinter heißt mehrkriterielle Optimierung. Sie erlaubt es, verschiedene, sogar widersprüchliche Ziele in eine möglichst gute Balance zu bringen. Sogenannte Paretolösungen haben die Eigenschaft, dass bei der Verbesserung einer Zielgröße mindestens eine andere Zielgröße verschlechtert werden muss. Die Software-Lösung des ITWM berechnet relevante Paretolösungen und erlaubt es dem Planer auf diesen Lösungen in Echtzeit zu navigieren.
Weltmarktführer für Bestrahlungsgeräte nutzt Software
Seit 2016 kooperiert das Institut nun mit Varian Medical Solutions aus Palo Alto, dem Marktführer für intensitätsmodulierte Bestrahlungsgeräte. Seit November 2017 ist das Produkt auf dem Markt. »Wir können mit Varian gemeinsam einen riesigen Markt erreichen, denn das Unternehmen verkauft in mehr als 150 Ländern«, so Küfer. Mit der zusätzlichen Lizensierung durch Varian Medical Systems wird die Technologie künftig an über 36.000 Therapieplanungsplätzen weltweit verfügbar sein.
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© EARTO – European Association of Research and Technology Organisations
Das Fraunhofer ITWM erhielt den EARTO Innovation Award 2019 in der Kategorie Impact Delivered. V.l.n.r. EARTO Präsident Dr. Antti Vasara und Matthias Perschke, der die EU-Kommission vertreten hat, überreichen den Preis an Prof. Dr. Karl-Heinz Küfer und PD Dr. Michael Bortz vom Fraunhofer ITWM.
Quelle Text/Bild:
Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik
Fraunhofer-Platz 1
67663 Kaiserslautern
www.itwm.fraunhofer.de
Kaiserslautern, 09.10.2019