Alljährlich erinnert eine Gedenkveranstaltung auf dem Deportiertenfriedhof in Gurs an die Jüdinnen und Juden, die 1940 in das große Internierungslager bei dem südfranzösischen Ort deportiert wurden. Auch dieses Jahr nahm wieder eine rund 70-köpfige Delegation aus Deutschland an der Veranstaltung teil, darunter 23 Jugendliche, die sich intensiv mit dem Thema Gedenkarbeit beschäftigen. Die Sprecherrolle für die Arbeitsgemeinschaft hatte dabei die Stadt Baden-Baden inne.
Mehr als 6.500 Jüdinnen und Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland, wurden im Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Viele der Deportierten wurden zwischen 1942 und 1944 in die Vernichtungslager im Osten gebracht. Das „Camp de Gurs“ wurde für sie zur „Vorhölle von Auschwitz“. Die Arbeitsgemeinschaft zur Unterhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs Gurs, ein Zusammenschluss von 17 badischen Städten und des Bezirksverbands Pfalz, organisiert aus diesem Grund jedes Jahr gemeinsam mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRG) eine Gedenkreise. Auf dem Friedhof wird an die Opfer und die unmenschlichen Bedingungen erinnert, denen die Deportierten ausgesetzt waren.
Der Baden-Badener Oberbürgermeister Dietmar Späth leitete die Delegation der Arbeitsgemeinschaft. Zur Delegation gehörten auch Vertreter der Israelitischen Religionsgemeinschaft, Barbara Hoffs, Ehrenvorsitzende der deutsch-israelischen Gesellschaft, Rabbiner Naftoli Surovtsev sowie des baden-württembergischen Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport. Von der Delegation des Bezirksverbands Pfalz nahmen Pia Bockhorn-Tüzün, Vorsitzende des Ausschusses für Gedenkarbeit und Demokratieförderung, Rita Becker-Scharwatz vom Gedenkausschuss des Pfalzklinikums Klingenmünster, Pierre Amblard vom Verein „Gegen das Vergessen“ in Wachenheim sowie Ulrich Burkhart, Leiter des Zentralarchivs, teil.
In Gurs begrüßte der Bürgermeister der Gemeinde, Christian Puharré, die deutschen und französischen Gäste vor dem Friedhof. Nach einer Gedenkminute am Mahnmal des französischen Staates für alle Internierten und Verstorbenen des Lagers folgte der gemeinsame Gang zum Friedhof. Die Reden auf dem Friedhof standen im Zeichen des Gedenkens und der persönlichen Schicksale der Deportierten. Aber auch die gegenwärtige Situation und der Schutz jüdischen Lebens kamen zur Sprache. Daniel Hager-Mann, Ministerialdirektor im Kultusministerium in Stuttgart, widmete sich dem jungen Karlsruher Hans-Jürgen Maier. Er kam im Alter von nur elf Jahren nach Gurs und wurde später nach Auschwitz deportiert und ermordet. „Das ist nur ein Fall von Tausenden, ja von Millionen. Das ist und bleibt unbegreiflich.“
Auch Oberbürgermeister Späth erinnerte an die Situation im Lager Gurs: „Ich stehe hier, um zu Ihnen zu sprechen und dennoch fehlen mir angesichts des unermesslichen Leids die Worte. Nicht alle Einzelschicksale sind uns bekannt. Bei einigen Personen kennen wir die detaillierten Lebenswege, bei anderen wenig mehr als den Namen. Aber eines ist gewiss: Alle mussten unendliches Leid ertragen.“ Er ging auch auf die gegenwärtige Situation des jüdischen Lebens ein. „Israel und jüdische Menschen sind rund 80 Jahre nach dem Holocaust Zielscheibe unerbittlichen und unversöhnlichen Hasses. Dass wir hier gemeinsam stehen und gedenken, macht mir jedoch Mut, dass wir es als Gesellschaft schaffen, den antisemitischen Strömungen entgegenzustehen.“
Die Bedeutung des Erinnerns erläuterte Prof. Doron Kiesel, wissenschaftlicher Direktor des Zentralrats der Juden in Deutschland: „Solange Gedenken aufrechterhalten und gepflegt wird, lebt auch die kollektive oder individuelle historische Erinnerung weiter.“ Abschließend sagte Max Brisson, Senator des Departments Pyrénées-Atlantiques: „Vielen Dank für diese Arbeit, für diese Kooperation und dafür, dass Sie die Erinnerung an die Deportierten von Gurs fortleben lassen.“ Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung trafen sich deutsche und französische Gäste zu einem Empfang im Gemeindezentrum Gurs. Dabei überreichte Puharré die Ehrenmedaille der Gemeinde an Ministerialdirektor Hager-Mann, Oberbürgermeister Späth und Rami Suliman, den Vorsitzenden der IRG Baden.
Ein wesentlicher Bestandteil der Gedenkreise nach Gurs ist die aktive Beteiligung junger Menschen. Deshalb nehmen jedes Jahr auch Jugendliche aus Baden und der Pfalz teil. Am darauffolgenden Tag stellten Baden-Badener Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Hohenbaden ihr Erinnerungsprojekt vor. Die Jugendlichen gingen auf das Schicksal der Baden-Badener Familien Lieblich und Rosenthal ein, die am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert wurden. Teil der Präsentation war ein Beitrag von Aryeh Brett Levi, dem Ur-Urenkel von Philipp Lieblich; er meldete sich aus seiner heutigen Heimat New York City mit einer Videobotschaft. Darin bedankte er sich für das Engagement der Schülergruppe und der Arbeitsgemeinschaft und richtete einen Appell an Baden-Baden, sich die Eigenschaften als internationale und gastfreundliche Stadt zu bewahren. Am Nachmittag besuchte die Delegation nochmals das Lagergelände und den Deportiertenfriedhof, bevor sie sich wieder auf den Weg zurück nach Deutschland machte.
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Quelle Text/Bild:
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Kaiserslautern, 05.11.2024
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