Auf Einladung des Bezirksverbands Pfalz und der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Rheinland-Pfalz fand mit großer Resonanz ein Netzwerktreffen aller Gedenk- und Erinnerungsinitiativen der Pfalz in Kaiserslautern statt. Den Anstoß dazu gab der Vorsitzende der LAG, Dr. Franz-Josef Ratter. Eine Vorstellungsrunde machte die Vielfalt der Initiativen sichtbar. Ziel sei es, „den Initiativen ein Forum zu bieten, um sich untereinander über die verschiedenen Projekte auszutauschen“, sagte Felix Schmitt, Vorsitzender des Ausschusses für Gedenkarbeit und Demokratieförderung des Bezirkstags Pfalz. Und der Bezirkstagsvorsitzende Theo Wieder erläuterte, dass sich der Bezirksverband Pfalz „seit Jahrzehnten mit dieser wichtigen Aufgabe beschäftigt“. So habe er beispielsweise einen entsprechenden Ausschuss gegründet, sei Mitglied der Arbeitsgemeinschaft zur Unterhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs Gurs und organisiere Jugendgedenkfahrten. „Es ist wichtiger denn je für unsere Zukunft, auch junge Menschen an diese Thematik heranzuführen und sie für die Werteordnung unserer demokratischen Gesellschaft zu sensibilisieren“, sagte Wieder. Diese Veranstaltung sei schon lange ein großer Wunsch gewesen, so Ratter. Er verwies darauf, dass sich die Erinnerungs- und Gedenkarbeit verändere. Das zunehmende Fehlen der Zeitzeugen der ersten Generation, aber auch die Zunahme nationalistischer Tendenzen nannte er als zwei wesentliche Beispiele. Anschließend stellte er die LAG vor, die sich vor 22 Jahren als Dachverband gegründet und inzwischen über 90 Mitglieder habe; darunter sei auch der Bezirksverband Pfalz. Hauptaufgabe sei die Vernetzung und Nutzung von Synergieeffekten. Kürzlich habe sich die LAG als Verein gegründet, wodurch sie als Dachverband der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen gestärkt werde. Ratter betonte, dass neben der Opfergruppe der jüdischen Bürger und Bürgerinnen auch die anderen Opfergruppen in den Blick zu nehmen seien und nicht vergessen werden dürften.
Carolin Manns von der LAG berichtete sodann unter dem Titel „Die Toten des Pogroms 1938“ vom landesweiten Projekt zur Ermittlung der ermordeten Jüdinnen und Juden. Dabei ginge es nicht um die Synagogen, sondern um die Menschen, die umgekommen seien. Bei den Synagogen wisse man, dass 191 zerstört und weitere 76 vollständig demoliert worden seien. Geschätzt hätten 91 jüdische Menschen ihr Leben verloren. Erfasst würden die Todesopfer der Novemberpogrome, die in der Nacht getötet worden seien, die an den Folgen starben, die Suizid begingen und die in die Konzentrationslager in Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen verschleppt worden seien und dort starben. Anschließend schilderte sie ein zweites Projekt des Exilarchivs 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek, und zwar Kurt S. Maiers Lebensgeschichte als interaktives Zeitzeugnis. Die angewandte und trainierbare Software soll helfen, den Wegfall der direkten Zeitzeugen zu kompensieren. Kurt Maier, 1930 geboren, hatte vier Tage lang 2021 in einem Aufnahmestudio in Washington, wohin er 1941 ausgewandert war, Fragen beantwortet zu seinen Erlebnissen, unter anderem in Gurs, wohin er zusammen mit anderen badischen Juden und Jüdinnen verschleppt worden war.
Roland Paul und Bernhard Gerlach präsentierten die Arbeitsstelle „Geschichte der Juden in der Pfalz“. Sie sei 2017 als Organisationseinheit des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde in Lambrecht in der Pfalzakademie gegründet worden und 2020 in die aufgelöste Grundschule von Frankenstein umgezogen. Das Projekt „Zwangsarbeit in der Pfalz 1939 bis 1945: Internierung – Einsatzorte – Repression“ erläuterten die Institutsmitarbeiter Dr. Christian Decker und Benedict von Bremen sowie der Archivar des Bezirksverbands Pfalz, Ulrich Burkhart. Dieses wichtige Thema sei bislang wenig erforscht worden. Im Fokus stünden die Erfassung der Zwangsarbeiter- und Zwangsarbeiterinnen nach Nationen, und der Wirtschaftszweige, in denen sie eingesetzt, sowie die Lagertypen, in denen sie untergebracht worden seien (https://www.pfalzgeschichte.de/de/forschung/laufende-projekte/zwangsarbeit-pfalz/). Ulrich Burkhart ging außerdem auf das „Online-Gedenkbuch des Bezirksverbands Pfalz zur NS-Zeit in der Pfalz“ ein. Es verstehe sich im Sinne eines permanenten Erinnerungsprozesses als virtuelles Mahnmal zur NS-Zeit in der Pfalz und sei allen NS-Opfergruppen gewidmet (weitere Informationen unter www.gedenkbuch-pfalz.de).
Macht Vielfalt der Projekte sichtbar: Netzwerktreffen der Gedenk- und Erinnerungsinitiativen der Pfalz
(Foto: Bezirksverband Pfalz)
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Quelle Text/Bild:
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Kaiserslautern, 22.05.2023
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