Der renommierte Justus Bier Preis für das Jahr 2022 geht an das Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk) und dort an das Ausstellungsprojekt „Hans Hofmann: Chimbote – Farben für die neue Stadt“, das die Kuratorin Dr. Annette Reich zusammen mit der ehemaligen langjährigen Leiterin des Museums und Herausgeberin des Katalogs, Dr. Britta E. Buhlmann, für das Haus realisiert hat. Der Preis wird am Donnerstag, 15. Juni, um 19 Uhr im mpk verliehen, das im Rahmen der Sonderausstellung „Artists for Nature“, die von Annette Reich kuratiert wird, zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Was ist uns Natur wert?” einlädt. Daran beteiligen sich der Jurypräsident Prof. Dr. Stephan Berg, Intendant Kunstmuseum Bonn, Bezirkstagsvorsitzender Theo Wieder, mpk-Direktor Steffen Egle, die Künstlerin Gabriela Oberkofler sowie die beiden Preisträgerinnen.
Der Justus Bier Preis widmet sich Ausstellungsprojekten und Publikationen, die durch eine herausragende Themenstellung und eine fundierte fachliche Aufarbeitung beeindrucken. In der Begründung heißt es: „Mit dem Preis ehrt die Jury nicht nur diese Schau, sondern zugleich auch die mehrteilige, groß angelegte Ausstellungsreihe, welche das Museum Pfalzgalerie in den letzten Jahren dem Werk des deutsch-amerikanischen Künstlers Hans Hofmann gewidmet hat, der als Mittler zwischen der europäischen Vorkriegs- und der amerikanischen Nachkriegs-Avantgarde den Aufbruch zahlreicher Künstler prägte, die später Weltgeltung erlangten.
Nach dem malerischen und dem zeichnerischen Werk wurden zuletzt die Entwürfe vorgestellt, die Hofmann im Jahr 1950 für ein Wandbild und die Gestaltung eines Platzes in der peruanischen Hafenstadt Chimbote schuf. Sie entstanden im Rahmen eines interdisziplinären städtebaulichen Erneuerungsprojekts. Stadtplaner, Architekten und Künstler entwickelten damals gemeinsam Ideen für eine menschenfreundliche Zukunft der Städte. Auch wenn es aus politischen Gründen unrealisiert blieb, fasziniert das Chimbote-Projekt nach wie vor.
Neben der Einordnung dieser als vollgültige Bilder ausgeführten Entwürfe in Hans Hofmanns Werk gewinnt die Ausstellung auch Bedeutung durch die Aktualität des Nachdenkens über Probleme, die uns heute zu entgleiten drohen. Das Chimbote-Projekt stellte sich ihnen schon vor 80 Jahren – mit verblüffenden Lösungsansätzen,
die Innovatives mit Überkommenem verbanden, etwa das Konzept einer autofreien Innenstadt mit der Nutzung eines Wassersystems aus der Inkazeit. Hinter all dem stand die utopische Überzeugung, mit moderner Kunst das Leben der Menschen verbessern zu können. Wie ein Brennglas bündelte diese Ausstellung wichtige Aspekte der künstlerischen Diskussion Mitte des letzten Jahrhunderts und stellte damit Überlegungen zu Autonomie, Verantwortung und sozialer Potenz der Kunst neu zur Debatte, die heute mehr denn je virulent sind.“
Die Jury unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Stephan Berg, Intendant Kunstmuseum Bonn, setzt sich zusammen aus dem Bonner Schriftsteller Lars Brandt, dem Ehrenpräsidenten der Jury, Dr. Carl Haenlein, Hannover, Christina Végh, Direktorin der Kunsthalle Bielefeld, dem Kritiker Prof. Thomas Wagner aus Heppenheim/Bergstraße und Prof. Thomas Weski, Kurator an der Stiftung für Fotografie und Medienkunst mit Archiv Michael Schmidt, Berlin.
Der mit 5.000 Euro dotierte Justus Bier Preis wird seit 2009 jährlich von der Helga Pape-Stiftung Jens und Helga Howaldt, Hannover, verliehen. Mit ihm sollen fachlich und sprachlich herausragende Publikationen in Zusammenhang mit Austellungsprojekten aus dem deutschsprachigen Raum ausgezeichnet werden, die sich mit der bildenden Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts befassen. Eine vergleichbare Auszeichnung für kuratorische Leistungen gab es zuvor nicht. Die Stifter des Preises wie auch die Jury sind der Auffassung, dass die Arbeit von Kuratoren und Kuratorinnen mehr Aufmerksamkeit verdient, als das heute der Fall ist. Schließlich ist die sprachliche und fachliche Auseinandersetzung zwischen Kunst und Kurator beziehungsweise Kuratorin eine der Grundlagen der Arbeit, die in Museum und Ausstellungshaus geleistet wird. Der Preis geht zurück auf eine Anregung von Dr. Carl Haenlein, Direktor der Kestner Gesellschaft Hannover von 1974 bis 2002.
Justus Bier (1899 Nürnberg – 1990 Raleigh, North Caronlina) war von 1930 bis 1936 Direktor der Kestner Gesellschaft in Hannover. Da er Jude war, sind seine Entlassung und der Abbruch seines konsequent der modernen Kunst gewidmeten Programms immer wieder durch die Nazis gefordert worden. Jedoch hat Justus Bier weder sein Programm geändert, noch wurde er vom Vorstand der Kestner Gesellschaft abberufen. Im Zusammenhang mit seiner Franz Marc Ausstellung im Jahre 1936 wurde das Institut durch die Gestapo geschlossen. Nach der gelungenen Emigration in die USA übernahm Justus Bier eine Professur für Kunstgeschichte an der University of Louisville, Kentucky. 1961 wurde er Leiter des Allan R. Hite Art Institute und dann Direktor des Museums in Ralleigh, North Carolina. Justus Bier zeichnete sich einerseits durch seinen Einsatz für die moderne Kunst aus – 1935 zeigte er noch in der Kestner Gesellschaft Emil Nolde, August Macke und Erich Heckel. Franz Marc folgte 1936. Andererseits bewies er durch seine Forschungen zu Tilman Riemenschneider und Veit Stoß ein tiefes Verständnis für die Geschichte der Kunst. Bis auf den heutigen Tag sind seine Arbeiten über Riemenschneider Meilensteine der Forschung geblieben.
Dr. Britta E. Buhlmann, geboren 1956 in Büdesheim (Hessen), war bis März 2022 Direktorin des mpk. 1975 bis 1983 studierte sie Kunstgeschichte, Geschichte, evangelische Theologie und Archäologie an den Universtäten von Frankfurt/Main, Zürich und Bonn. Nach einem Volontariat 1984/85 am Hessischen Landesmuseum Darmstadt wurde sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Krefelder Kunstmuseen. Bis zu ihrem Wechsel nach Kaiserslautern führte sie von 1988 bis 1994 als Direktorin die Städtische Galerie Würzburg. Sie ließ die Museumsräume sanieren und öffnete die Sammlung durch Ankäufe und Ausstellungen hin zur Moderne. Darüber hinaus entwickelte sie erste Pläne für den Kulturspeicher im Alten Hafen und knüpfte enge Kontakte zu Peter Ruppert, dessen Sammlung konkreter Kunst tragender Bestandteil des neuen Museums wurde. Als Lehrbeauftragte vermittelte sie moderne und zeitgenössische Kunstgeschichte an den Universitäten von Würzburg, Saarbrücken, Kaiserslautern und Heidelberg. Dort wirkte sie zwischen 2000 und 2003 als Mitglied des Gründungsuniversitätsrats. Von 2019 bis 2022 füllte sie diese Funktion im Universitätsrat der TU Kaiserslautern aus. Am mpk ließ sie Räume, Archive und Werkstätten stetig renovieren; sie professionalisierte die Ausstattung und erweiterte den Mitarbeiterstab des Hauses. In zahlreichen Ausstellungen präsentierte sie Künstler wie Carmen Herrera, Adolph Gottlieb, Charles Pollock, Pierette Bloch, Georgia Russel oder Eva Jospin erstmals in Deutschland mit musealen Einzelausstellungen, Nobuyuki Tanaka und Kubra Khademi erstmals in Europa.
Dr. Annette Reich, geboren 1965 in Ulm/Donau, ist seit 2004 stellvertretende Direktorin des mpk und seit 2001 leitet sie dort die Gemälde- und Skulpturensammlung. Ihr Studium der Europäischen Kunstgeschichte, der Mittleren und Neueren Geschichte sowie Slavistik schloss sie 1992 an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg mit dem Magister Artium ab. 1998 promovierte sie bei Prof. Dr. Peter Anselm Riedl. Für ihre Dissertation zum Thema „Avantgardistische Strömungen in der tschechischen Bildhauerei von der Jahrhundertwende bis zum Ende der Ersten Tschechoslowakischen Republik“ wurde sie als DFG-Stipendiatin mit dem Ruprecht-Karls-Preis der Universität Heidelberg ausgezeichnet. Weitere Förderungen erhielt sie über das Herrmann-Aubin-Stipendium und die Erwin-Brünisholz-Stiftung. Der Schwerpunkt ihrer Publikations- und Ausstellungstätigkeit liegt im Bereich der Malerei und Bildhauerei beziehungsweise Plastik des 20. und 21. Jahrhunderts. Als Kuratorin realisierte sie zahlreiche Ausstellungsprojekte unter anderem zu Boris Becker, Franz Bernhard, Norbert Frensch, Werner Haypeter, Katharina Hinsberg, Camill Leberer, François Morellet, Werner Pokorny, Georgia Russell, Robert Schad, Qiu Shihua, Phil Sims, Nobuyuki Tanaka und anderen. Eine intensive Beschäftigung mit Leben und Werk des deutsch-amerikanischen Künstlers Hans Hofmann erfolgte, auch als Kuratorin, in Zusammenarbeit mit dem Renate, Hans und Maria Hofmann Trust in New York während der Jahre 2013, 2018 und 2022. Bei ihrer langjährigen Vermittlungsarbeit legte und legt sie bis heute den Fokus auf interdisziplinäre Wahrnehmungen und Sichtweisen.
Bu: Die beiden Preisträgerinnen (von links): Dr. Britta E. Buhlmann und Dr. Annette Reich
(Foto: mpk, Margarete Schneider)
Ort
Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern
Museumsplatz 1, 67657 Kaiserslautern
Preisverleihung mit Podiumsdiskussion
15. Juni 2023, 19 Uhr
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Quelle Text/Bild:
Bezirksverband Pfalz
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Bismarckstraße 17
67655 Kaiserslautern
www.bv-pfalz.de
Kaiserslautern, 15.03.2023
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