Zu den Finalisten des Zukunftspreises Pfalz 2022 gehört das Projekt All-Polymer, an dem die Universität in Koblenz unter der Leitung von Prof. Dr. Silke Rathgeber maßgeblich beteiligt ist. Die Verleihung des Preises fand am 25. November 2022 in einem feierlichen Rahmen im Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) in Kaiserslautern statt.
Im Projekt All-Polymer, an dem die Universität in Koblenz und die Technische Universität Kaiserslautern sowie die Unternehmen A+ Composites, Hahn Kunststoffe und die Infinex Group drei Jahre lang geforscht haben, wurde untersucht, wie man faserverstärkte Kunststoffe voll recyclingfähig macht und damit kostbare Ressourcen einsparen sowie Kunststoffabfälle vermeiden kann.
Denn 26 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle fallen innerhalb der Europäischen Union jährlich an. Von diesen werden weniger als 30 Prozent für das Recycling gesammelt. Entsprechend groß ist die Notwendigkeit, die Ressourceneffizienz von Kunststoffen zu erhöhen und Rezyklaten zu mehr Einsatz zu verhelfen. Jedoch lassen sich Primärkunststoffe häufig nicht durch Rezyklate, die auch Sekundärkunststoffe genannt werden, ersetzen. Recyclingkunststoffe sind in der Regel weniger leistungsfähig als Neuware. Eine mögliche Lösung ist hierfür die Aufwertung der Sekundärkunststoffe durch thermoplastische Faserverbundmaterialien. Doch diese sind häufig nicht recycelbar, sodass sie nach ihrem Einsatz nicht mehr kreislauffähig sind.
Das erreichte Ziel des Projekts All-Polymer war die Entwicklung voll recyclingfähiger faserverstärkter Kunststoffprodukte, sodass in diesen Primär- durch Sekundärkunststoffe ersetzt werden und die Rezyklate für neue Anwendungen genutzt werden können.
Dazu wurden aus den drei großen Bereichen der Kunststoffindustrie – Verpackung, Bauwesen und Automobil – Prototypen hergestellt, die durch passende Faserkunststoffbänder aufgewertet wurden. Der Vorteil dieser sogenannten UD-Tapes ist, dass sie bei geringem Materialeinsatz starke Einsparungen ermöglichen und große Flexibilität bei der Wahl der Anwendung bieten. Die Entwicklung der Prototypen wurde durch Material- und Nachhaltigkeitsuntersuchungen vervollständigt, sodass eine ganzheitliche Betrachtung im Projekt erfolgt ist.
Als Prototyp aus der Verpackungsindustrie wurde ein volumenreduzierbarer Behälter der Infinex Holding GmbH ausgewählt. Im entladenen Zustand kann der Behälter so zusammengefaltet werden, dass für die Leerfahrt auf den Platz eines vollen Behälters fünf zusammengefaltete Behälter passen. Durch All-Polymer sollte nun auch das Material, aus dem dieser Behälter besteht, zirkulär werden. Eine Lebenszyklusanalyse hat gezeigt, dass ein Kunststoffbehälter, der mehrzyklisch verwendet wird, gegenüber Einweg-Behältern aus Wellpappe nach bereits 18 Zyklen ökologisch vorteilhaft ist. Angenommen wird, dass ein Behälter durchschnittlich mehr als doppelt so viele Durchläufe schafft.
Die Stegbohle der Hahn Kunststoffe GmbH, die bereits vollständig aus Kunststoffen aus dem Gelben Sack hergestellt wird, wurde für das Projekt All-Polymer als Prototyp aus der Baubranche ausgewählt. Die Bohlen werden auf Unterkonstruktionen montiert. Durch die verbesserte Festigkeit mittels der UD-Tapes ist es möglich, den Auflagerabstand zu erhöhen und damit neue Anwendungsfelder zu erschließen und bei der Installation Unterzüge einzusparen.
Die Röchling Automotive SE & Co KG stellte als assoziierter Partner den Prototypen aus der Automobilbranche zur Verfügung. Der Grundgedanke bei der untersuchten Unterbodenstruktur war, mit Hilfe von glasfaserverstärkten Tapes den Leistungsabfall der Bauteile mit Rezyklat abzufangen und zusätzlich den bisherigen Anteil an Glas-Langfasern durch die Verwendung von UD-Tapes zu reduzieren. Im Projekt konnte gezeigt werden, dass ein Einsatz von UD-Tapes zu deutlichen Leistungssteigerungen führt. Bei einem Einsatz von 40 Prozent Rezyklat im Bauteil und einer Verstärkung mit UD-Tapes hat das Bauteil noch 40 bis 100 Prozent bessere Leistungskennwerte als Unterbodenstrukturen, die komplett aus neuem Kunststoff bestehen.
Im Projekt konnten signifikante Verbesserungen der technischen Parameter bei den Prototypen aus Rezyklat erzielt werden. Somit wurde das Hauptziel des Projekts, Sekundärkunststoffe aufzuwerten, erreicht. Die Prozess- und Materialentwicklungen haben zudem gezeigt, dass die Prototypen in Serienanwendungen überführt werden können, die nicht nur auf die im Projekt betrachteten Anwendungen und Branchen übertragbar sind, sondern in vielen weiteren Anwendungen der Kunststoffindustrie eingesetzt werden können.
Auch für die Pfalz ist das Projekt All-Polymer ein großer Gewinn, da die innovativen und nachhaltigen Produktentwicklungen aus der Forschungsarbeit in All-Polymer die Zukunft der Pfalz als Produktions- und Forschungsstandort für nachhaltige Kunststoffverarbeitung sichern und Wissenschaft wie auch Unternehmen aus der Region direkt an umsetzbaren Lösungen für die Erhaltung unserer Natur und an der effizienten Nutzung der vorhandenen Ressourcen arbeiten.
Weiterführende Informationen zum Projekt All-Polymer finden sich unter https://allpolymer.de/
Zum Zukunftspreis Pfalz 2022
Mit dem Zukunftspreis zeichnet der Bezirksverband Pfalz Projekte aus den Bereichen der Umwelt-, Natur-, Geistes- beziehungsweise Gesellschaftswissenschaft, Technologie oder Wirtschaft aus. Der Hauptpreis ist mit 10.000 Euro, der Nachwuchspreis ist mit 2.500 Euro dotiert.
Maßgebend für die Auswahl der Preisträger sind unter anderem der Kreativitätsgrad, die Neuartigkeit, die Realisierbarkeit sowie das Marktpotenzial des Projekts. Außerdem weisen die Errungenschaften oder Leistungen ein Alleinstellungsmerkmal auf und bringen echte Verbesserungen beziehungsweise einen Fortschritt gegenüber derzeitigen Prozessen mit sich. Darüber hinaus sollen die Vorhaben einen Nutzen für die Gesellschaft, beispielsweise durch Optimierung des Ressourcen-Einsatzes oder durch Steigerung der Lebensqualität mit sich bringen und ökologische, ökonomische und soziale Aspekte miteinander in Einklang bringen.
Quelle Text/Bild:
Dr. Birgit Förg
Universität Koblenz-Landau
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Koblenz, 30.11.2022