Roman: Deutscher Buchpreis 2022: Kim de L’Horizon – Blutbuch
Aufgewachsen in einem schäbigen Schweizer Vorort, lebt die Erzählfigur mittlerweile in Zürich, ist den engen Strukturen der Herkunft entkommen und fühlt sich im nonbinären Körper und in der eigenen Sexualität wohl. Doch dann erkrankt die Großmutter an Demenz, Das ist der Auslöser, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen: Warum sind da nur bruchstückhafte Erinnerungen an die eigene Kindheit? Wieso vermag sich die Großmutter kaum von ihrer früh verstorbenen Schwester abzugrenzen? Und was geschah mit der Großtante, die als junge Frau verschwand? Die Erzählfigur stemmt sich gegen die Schweigekultur der Mütter und forscht nach der nicht tradierten weiblichen Blutslinie. Kim de l’Horizons mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneter Roman ist stilistisch und formal ein Befreiungsakt von den Dingen, die wir ungefragt weitertragen: Geschlechter, Traumata, Klassenzugehörigkeiten.
Roman
Wilhelm-Raabe-Preis 2022: Jan Faktor – Trottel
Ein eigensinniger Schriftsteller, gebürtiger Tscheche und begnadeter Trottel, erinnert sich an ein Leben, in dem immer alles anders kam, als gedacht. Ihren Anfang nimmt die Geschichte in Prag, nach dem sowjetischen Einmarsch. Auf den Rat einer Tante hin studiert der Jungtrottel Informatik, hält aber nicht lange durch. Dafür macht er erste groteske Erfahrungen mit der Liebe, langweilt sich in einem Büro für Lügenstatistiken und fährt schließlich Armeebrötchen aus. Nach einer denkwürdigen Begegnung mit der »Teutonenhorde«, zu der auch seine spätere Frau gehört, »emigriert« er nach Ostberlin und taucht ein in die schräge, politische Undergroundszene des Prenzlauer Bergs. Der anarchische Erzähler Jan Faktor hat einen wunderbar verspielten, funkelnden Schelmenroman geschrieben und erhält dafür am Sonntag den Wilhem-Raabe-Preis.
Roman
Aspekte-Literaturpreis 2022: Sven Pfitzenmaier – Draußen feiern die Leute
Ein ganz normales Dorf in Deutschland: in der Mitte ein Kreisel, daneben die Volksbank und im September das alljährliche Zwiebelfest. Aber nicht alle hier können sich dem Dorfgefüge anpassen – Timo, Valerie und Richard sind seit ihrer Geburt Außenseiter. Als allmählich immer mehr junge Leute im ganzen Land spurlos verschwinden und in den Familien große Lücken hinterlassen, machen sie sich auf die Suche nach den Vermissten. Das Leben der drei ist schon immer besonders gewesen, doch sie haben keine Vorstellung davon, was sie mit ihrer Suche lostreten. Ein überbordender, schriller Roman über die deutsche Provinz und das Anderssein in einem Umfeld, in dem Anderssein nicht vorgesehen ist. Ausgezeichnet mit dem Aspekte-Literaturpreis für das beste Debut.
Roman
Nobelpreis für Literatur 2022: Annie Ernaux – Eine Frau – Der Platz – Erinnerung eines Mädchens
Annie Ernaux hat in allen ihren Büchern autobiographisch gearbeitet. In „Die Jahre“ hat sie ihr eigenes Leben begleitet, in „Eine Frau“ nach dem Tod der Mutter für diese ein Requiem verfasst, „Der Platz“ betrachtet das Leben ihres Vaters und damit auch ihre Herkunft. Ein guter Einstieg ist „Erinnerung eines Mädchens“, eine von ihr lange verdrängte Episode der heranwachsenden Annie. Nun sind alle Bücher der Nobelpreisträgerin wieder verfügbar.
Quelle Text/Bild:
buchhandlung blaue blume
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Kaiserslautern, 03.11.2022