Roman: Nobert Gstrein – Der zweite Jakob
„Natürlich will niemand sechzig werden.“ Damit beginnt das Lebensgeständnis des Schauspielers Jakob. Die Frage seiner Tochter „Was ist das Schlimmste, das du je getan hast?“ bringt ihn in existentielle Nöte. Jakob erinnert sich an einen Filmdreh an der mexikanisch-amerikanischen Grenze. Die Morde an Frauen und das Elend dort bekam er bloß distanziert mit – aber zwei Mal war er plötzlich mittendrin. Erinnernd schämt er sich, ringt mit den simplen Urteilen der Welt und sehnt sich doch nur nach dem Glück. Norbert Gstrein hat eine überaus komplexe Familiengeschichte grandios erzählt. Er kommt seinem Helden beängstigend nah und rührt gleichzeit an die großen Fragen, die wir uns alle stellen.
Roman
Monika Helfer – Vati
Ein Mann mit Beinprothese, ein Abwesender, ein Witwer, ein Pensionär, ein Literaturliebhaber. Monika Helfer umkreist das Leben ihres Vaters und erzählt von ihrer eigenen Kindheit und Jugend. Von dem vielen Platz und der Bibliothek im Kriegsopfer-Erholungsheim in den Bergen, von der Armut und den beengten Lebensverhältnissen. Von dem, was sie weiß über ihren Vater, was sie über ihn in Erfahrung bringen kann. So entsteht ein Roman über das Aufwachsen in schwierigen Verhältnissen, eine Suche nach der eigenen Herkunft. Ein Buch, das sanft von Existenziellem berichtet und schmerzhaft im Erinnern bleibt. Monika Helfer schreibt fort, was sie mit „Die Bagage“ begonnen hat: ihre eigene Familiengeschichte.
Roman:
Christian Kracht – Eurotrash
„‚Eurotrash‘ ist ein raffiniertes, ein tragikomisches und mitunter überraschend zart erzähltes Stück autofiktionaler Erinnerung, das die psychologischen Feinheiten einer Mutter-Sohn-Beziehung ergründet und dabei familiäre Schattenwelten aufsucht, die aus der Vergangenheit in die Gegenwart ragen. Dem Autor gelingt das seltene Kunststück, eine komplexe literarische Poetik in stilistischer Virtuosität zum Leuchten zu bringen.“ begründet die Jury die Nominierung für die Shortlist. Mit dem neuen Roman schließt Kracht direkt an seinen viel gelobten Roman „Faserland“ an.
Roman
Thomas Kunst – Zandschower Klinken
Bengt Claasen verschlägt es aus einer Lebenskrise in ein nordostdeutsches Provinznest. Dort trotzen Menschen mit aufsässigen Fantasien einer ihnen nicht wohlgesonnenen Realität. Sie haben ihr Dorf zu Sansibar, ihren Teich zum Ozean umfantasiert, strukturieren ihre Gegenwelt mit hinreißend absurden Ritualen. Mit Fantasie und Witz erzählt Thomas Kunst in „Zandschower Klinken“ von einer solidarischen Gemeinschaft, die sich am eigenen Schopf aus der Misere zieht – trotzig und stur, frei und eigensinnig. Er entwirft eine Utopie in unserer globalisierten Gegenwart und findet für sie eine Sprache von bezwingender Musikalität.
Roman
Mithu M. Sanyal – Identitti
Was für ein Skandal: Prof. Dr. Saraswati ist WEISS! Schlimmer geht es nicht. Denn die Professorin für Postcolonial Studies in Düsseldorf war eben noch die Übergöttin aller Debatten über Identität – und beschrieb sich als ‚Person of Colour‘. Während das Netz Saraswati hetzt und Demos ihre Entlassung fordern, stellt ihre Studentin Nivedita ihr intimste Fragen. Mithu Sanyal schreibt mit beglückender Selbstironie. Ohne jeden Hang zum Denunzieren zeigt sie die verschiedenen, unversöhnlich scheinenden Positionen – in Dialogen, Blogeinträgen, fiktiven Tweets – und es gelingt ihr, gerade in den verfahrensten Debatten und scheinbaren Sackgassen unbändige Freude am Austausch und der Beweglichkeit im Kopf zu entfachen.
Roman
Antja Strubel – Blaue Frau
Adina kommt aus einem Dorf in Tschechien, ihr Weg führt sie über Berlin in die Uckermark. Nach der Vergewaltigung durch einen einflussreichen Multiplikator der europäischen Kulturpolitik flieht sie nach Helsinki und ins innere Exil. Im Hotel, in dem sie schwarz arbeitet, begegnet sie dem estnischen Professor Leonides, Abgeordneter der EU, der sich in sie verliebt. Während er sich für die Menschenrechte stark macht, sucht Adina einen Ausweg aus dem inneren Exil. Ein Roman über die ungleichen Voraussetzungen der Liebe, die Abgründe Europas und darüber, wie wir das Ungeheuerliche zur Normalität machen.
Quelle Text/Bild:
buchhandlung blaue blume
Richard-Wagner-Str. 46
67655 Kaiserslautern
www.buchhandlung-blaue-blume.de
Kaiserslautern, 30.09.2021