„Eine rote Linie ist überschritten“ – Der neue städtische Haushaltsentwurf sieht empfindliche Streichungen für die Volkshochschule vor

Die gemeinnützige VHS war Corona bedingt in 2021 erneut ein halbes Jahr geschlossen und konnte kaum Einnahmen generieren. Sie lebt zurzeit in erster Linie von Betriebsmittel-Rücklagen, die sie durch eine solide Haushaltsführung auch für geplante und unbedingt notwendige Investitionen in die Digitalisierung und die Raumsituation zurückstellen konnte. Der Jahresabschluss im ersten Corona Jahr 2020 hatte ein Minus im deutlichen fünfstelligen Bereich aufzuweisen. An eine reguläre Wiederaufnahme des Kursbetriebes ist zudem noch lange nicht zu denken, aufgrund der Corona Auflagen (Beschränkung der Teilnehmerzahlen in den Räumen, Testpflicht, die Schulen können wir auch noch nicht nutzen etc.). Zudem ist der Landeszuschuss an die Unterrichtsstunden und Teilnehmerzahlen gebunden. D.h. konkret, dass wir auch von Landesseite in 2022 mit verminderten Zuschüssen rechnen müssen, wenn nicht das Land in Corona Zeiten seine Sonderregelung erneuert, die Höhe der Zuschüsse auf Basis der Zahlen von 2019 zu gewähren. Ein wichtiges Signal der Landesregierung in 2020 für 2021, „wir lassen Euch nicht im Regen stehen“.

Auf 90.000 € soll die VHS in diesem Jahr einmalig verzichten. Man muss aber wissen, dass die städtische Finanzabteilung ursprünglich die „nachhaltige“ und generelle Streichung des seit über 20 Jahren unveränderten Barzuschusses in Höhe von 143.000 € eingebracht hat. Schon im letzten Jahr waren zunächst 50% Kürzungen vorgesehen. Wer garantiert der VHS, dass die Begehrlichkeiten auch in den nächsten Jahren nicht wieder geweckt werden? Die Haushaltssituation wird sich nicht verbessern. Zudem wurde im Vorfeld nie der Kontakt mit der VHS gesucht, um sich über die Schwierigkeiten in Corona Zeiten zu informieren.

Die Reduzierung bzw. Streichung der Mittel würde eine Abwärtsspirale in Gang setzen. Mit Gebührenerhöhungen können die Ausfälle nicht aufgefangen werden. Zudem würden weitere Bevölkerungskreise vom Bildungszugang ausgeschlossen werden. Ich erinnere nur an die jährlich in der Regel 3.500 Deutschlernenden, die mehreren Hundert funktionalen Analphabeten und die Dutzenden Teilnehmer aus dem Bereich der nachträglichen Schulabschlüsse. Wir geben allein über 350 Dozentinnen und Dozenten Arbeit und Brot, sind daher einem mittelständischen Unternehmen gleichzusetzen mit 13500 Teilnehmern in 2019. 2021 werden wir vielleicht Corona bedingt auf 4000 TN hauptsächlich im Onlineunterricht kommen.

Um diese Einnahmenverluste zu kompensieren, müssten wir Gebührenerhöhungen im zweistelligen Prozentbereich vornehmen. Wohlwissend, dass dann weitere Bevölkerungskreise von Bildungszugängen ferngehalten werden. Gerade sozial schwächer Gestellte und Menschen mit Migrationshintergrund.

„Eine rote Linie ist in meinen Augen überschritten – das jahrzehntelange Credo über die Parteigrenzen hinweg war immer „an Bildung wird nicht gespart.“ Daher finde ich die geplante deutliche Reduzierung, wenn auch zunächst nur einmalig, weder nachhaltig, noch sozial, noch demokratisch, sondern fahrlässig. Die VHS war immer dankbar und stolz auf die Verlässlichkeit des städtischen Zuschusses. 400.000 € Sachkostenzuschuss für das Gebäude als durchlaufender Posten im VHS Haushalt und eben die 143.000 € Barzuschuss, die in über 20 Jahren nie eine inflationsbedingte Erhöhung erfahren haben.“ Der Dank an die Stadt war eine Haushaltsdisziplin, die nie Schieflagen entstehen ließ. Bedenken sollte man auch, dass wenn man die teilnehmergebundenen Zuschüsse des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) mit einkalkuliert, die Volkshochschule bereits 70 % ihrer Einnahmen durch Gebühreneinnahmen generiert. Welche andere städtische Einrichtung hat das vorzuweisen? Auch die aktuelle Förderung der VHS durch die EU mit bewilligten 300.000 € für das neue Integrationszentrum sind Zeichen für die Innovationsfreudigkeit der VHS und die Findigkeit, weitere Finanztöpfe zu erschließen.

In einer Stadt mit so großen sozialen Verwerfungen wäre die geplante Maßnahme in unseren Augen ein fatales bildungspolitisches Signal. Die 1904 gegründete VHS ist natürlich auch bereit, in schwierigen Zeiten ihren Beitrag zu leisten, aber bitte mit Maß und Ziel.

Michael Staudt, Direktor der Volkshochschule

 

Quelle Text/Bild:
VHS Kaiserslautern – Weiterbildungszentrum
Kanalstr. 3
67655 Kaiserslautern
http://www.vhs-kaiserslautern.de

Kaiserslautern, 25.06.2021

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