Es gäbe bessere Standorte für Windräder als den Otterberger Wald, meint Wanderförster Gerald Klamer. Am Samstag, dem 10.04. besuchte er zusammen mit der Bürgerinitiative Pro Otterberger Wald (BI), begleitet vom zuständigen Revierleiter Mathias Golditz den Wald nördlich von Otterberg. Das struktur- und baumartenreiche Waldgebiet weist eine hohe Vielfalt, auch eine hohe Dichte von Biotopbäumen und eine gute Totholzrate auf, bietet also Fauna und Flora entsprechend breit gefächerte Lebensräume. Viele Fledermäuse, Spechte, Eulen, Hohltauben und andere teils seltene Tierarten sind dort heimisch.
Für seine umsichtige Waldbewirtschaftung stellte Klamer dem Kollegen aus Otterberg ein gutes Zeugnis aus, wohl wissend, dass dies zwischen Rentabilitätsvorgaben, zunehmender Klimaerwärmung, Baumsterben und Borkenkäferfraß sowie der Arbeit mit überwiegend externen Waldbauunternehmern keine einfache Sache ist. Als naturnächstes Ökosystem dürfe der Wald, wenn überhaupt, erst als aller letztes in Anspruch genommen werden, sagt Klamer. Vor allem müsse die Windenergieplanung großräumig angegangen und abgewogen werden. Es dürfe nicht sein, dass letzten Endes sich die Konflikte in einer Kommune zuspitzten, weil diese wegen der Ausgabe eines 2-Prozent-Flächenzieles für Windkraftnutzung ihre wertvollsten Ökosysteme hergeben müsse.
Den fachlichen Dialog zwischen den beiden Forstmännern verfolgten die Exkursionsteilnehmer interessiert. Auch konnten Fragen gestellt werden, denn als normaler Waldkonsument ist einem das Wenigste bekannt, was an Maßnahmen gemacht und unterlassen werden muss, um eine Ansammlung von Bäumen zu dem schönen Wald zu machen, den wir wahrnehmen und der außerdem zukunftsfähig und klimastabil aufgebaut ist.
Bei Wiederaufforstungsmaßnahmen wird keine flächendeckende Bestockung mit bis zu 30.000 Pflanzen einer Art pro Hektar mehr gemacht, wie noch vor ca. 40 Jahren in der Kahlschlagswirtschaft, sondern kleingruppenweise Bepflanzung mit verschiedenen, klimastabilen, meist fünf einheimischen Baumarten, so dass die restlichen Flächen der natürlichen Sukzession überlassen bleiben. Douglasien- und Fichtenbestände werden mit punktuellen Unterpflanzungen von Laubhölzern aufgewertet, durch die Auflichtung siedeln sich weitere Baumarten an. Naturverjüngung, also der Baumnachwuchs unter dem Dach schützender Altbäume, ist erfolgreicher als die manuelle Anpflanzung. Das Totholz muss aus gesamtökologischen Gründen (Biotopschutz) so weit als möglich im Wald gelassen werden. Der Borkenkäferfraß an der Fichte setzt sich nur solange fort, als die Rinde dran ist. Die Buche ist davon nicht betroffen, man sollte sie stehen lassen, wenn sie als Wertholz wenig taugt: Eine 120-jährige, etwas krumme Buche mit Fehlstellen würde zwar noch nach China für ca. 70,- € / m ³ verkauft werden können (und käme dann in kleinen Teilen als Holzspielzeug zurück). Zuvor muss sie aber für ca. 25,- €/m³ eingeschlagen, abtransportiert und mit giftigem SF begast und verschifft werden. Wenn ältere Buchenbestände durch starke Nutzungseingriffe weiter aufgelichtet werden, verkraftet auch die Buche die aktuellen Klimaverhältnisse nicht mehr und stirbt baumweise, gruppenweise und auch bestandsweise ab.
Bei der Tour wurde auf der „Betonstraße“ auch ein ausgewachsener Feuersalamander entdeckt. Allerdings war er tot gefahren. Im Otterberger Wald gibt es einige Quellgebiete und Feuchtstandorte, welche ihm Lebensraum bieten, so auch der Geburtshelferkröte. An einem solchen Standort in der Nähe des Grafenthalerhofes hat GAIA ein Windrad geplant. An einem anderen Standort siedelt die geschützte rote Waldameise. Für den Bau eines Windparks im Zentrum des Otterberger Waldes müsste dies alles und noch mehr geopfert werden.
Die Otterberger Stadtverordneten von Bündnis 90/Die Grünen fordern vehement den Windpark, im Gegensatz zu Vertretern von SPD, CDU, FWG und FDP, welche ihn ablehnen. Die Grünen bauen darauf, dass im Genehmigungsverfahren, in welchem auch die Naturschutzbehörde beteiligt ist, alles bestens, d. h. naturverträglich geregelt werden wird. Dazu muss man wissen, dass das Naturschutzrecht immer weiter ausgehöhlt wird und beispielsweise Ausnahmen vom Tötungsverbot zulässt, soweit die Populationen im Bestand nicht gefährdet werden. Wir, die Bürgerinitiative Pro Otterberger Wald wollen es so weit – also zu einem Genehmigungsverfahren – gar nicht kommen lassen. Unserer Ansicht nach lassen sich Windkraftanlagen im Wald weder naturverträglich errichten noch betreiben.
Sibylla Hege/Bürgerinitiative Pro Otterberger Wald, 13.04.2021
Von links: Sibylla Hege und (Mitbewohner) Julius Barz mit dem Wanderförster Gerald Klamer am Forstmeister-Udo-Lenhard-Gedenkstein. Darauf steht: „Wenn die Menschen ein Einsehen hätten, würde der Wald ewig bestehen“
Titelbild: Revierleiter Mathias Golditz (lks.) im Fachgespräch mit Gerald Klamer, dazwischen Ute Ritzmann-Stark, die den Extremwanderer und ehemaligen Forstbeamten eingeladen hatte; verdeckt: Volker Ultes, Sprecher der BI, im Hintergrund: Rainer Scheid (ebenfalls Mitglied der BI)
Fotos: BI Pro Otterberger Wald, Theresia Breiding
Quelle Text/Bild:
Bürgerinitiative „Pro Otterberger Wald“
Messerschwanderhof 2
67697 Otterberg
www.pro-otterberger-wald.de
Otterberg, 14.03.2021