Welche Handlungsspielräume haben der Präsident und der Kongress der Vereinigten Staaten in der Außen- und Sicherheitspolitik, speziell beim Einsatz militärischer Gewalt und in der Terrorismusbekämpfung? Das haben Dr. Marcus Müller und Dr. Lukas D. Herr im Rahmen ihrer Doktorarbeiten an der TU Kaiserslautern (TUK) anhand von verschiedenen Fallstudien untersucht und damit die ersten umfassenden politikwissenschaftlichen Einordnungen im deutschen Sprachraum zur Rolle des US-Kongresses in der Antiterrorpolitik und des US-Präsidenten in den amerikanischen Kriegen vorgelegt. Die Nomos Verlagsgesellschaft hat beide Forschungsarbeiten in der renommierten Reihe „Neue Amerika-Studien“ veröffentlicht.
Welche Rolle spielte der US-Kongress im Krieg gegen den internationalen Terrorismus, den die USA dieses Jahr nun seit 20 Jahren führen? Mit dieser Fragestellung hat sich Marcus Müller in seiner Doktorarbeit auseinandergesetzt, die er zeitgleich mit Lukas D. Herr am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen/Außenpolitik bei Prof. Dr. Jürgen Wilzewski an der TU Kaiserslautern (TUK) absolviert hat. Am Beispiel der Präsidentschaft von Barack Obama hat der Politikwissenschaftler durch Analyse der vorhandenen Kongressdokumente sowie vor Ort in Washington D.C. durchgeführten Interviews mit den Stabsmitarbeitern von Kongressabgeordneten und Senatoren und ehemaligen Regierungsmitgliedern Obamas ein differenziertes Bild gezeichnet. Ermöglicht wurde das durch einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt an der George Mason University (Virginia) und dem German Marshall Fund.
„Entgegen der weit verbreiteten Vorstellung, dass der Kongress in der amerikanischen Außenpolitik eine eher untergeordnete Rolle spielt, konnte ich aufzeigen, dass er sein Mitsprachrecht durchaus geltend macht, so geschehen etwa bei den kontroversen Diskussionen zur Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo, Debatten zum Drohnenkrieg oder der Reform der NSA-Überwachungsaktivitäten nach der Snowden-Affäre“, erklärt Müller.
„In vielen Fällen ist für Kongressmitglieder weniger das Parteibuch, sondern vielmehr die Verteidigung der verfassungsmäßigen Rechte des Kongresses in der nationalen Sicherheitspolitik die treibende Kraft in den Entscheidungsprozessen“, lautet die Einschätzung des Politikwissenschaftlers. „Gerade meinungsstarke Kongressmitglieder mit einem ausgeprägten Eigeninteresse bilden in bestimmten Politikfeldern das öffentliche Gesicht des Kongresses ab. Sie wagen auch den Konfrontationskurs mit dem Präsidenten zur Durchsetzung ihrer Interessen. Demgegenüber suchen die Vorsitzenden der sicherheitspolitisch relevanten Ausschüsse im Kongress den Schulterschluss mit der Exekutive – insbesondere, wenn es darum geht, scharfe Reformen zu verhindern und die Entscheidungsmacht des Präsidenten, des Militärs oder der Nachrichtendienste zu beschützen.“
Zusammengefasst hat Müller die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit im Buch „No Blank Check“, welches im Nomos-Verlag erschienen ist.
Die rhetorische Kraft des US-Präsidenten
In der Forschungsarbeit von Herr stand der US-Präsident im Mittelpunkt – speziell sein Handlungsspielraum in der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik beim Einsatz militärischer Gewalt. Der Politikwissenschaftler hat hierzu die Interventionen bzw. Kriege im Kosovo 1999, im Irak ab 2003 und in Libyen 2011 ausgewertet – ebenso anhand von Recherchen in Primärquellen und im Rahmen eines dreimonatigen, vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) unterstützten Forschungsaufenthaltes an der University of Minnesota.
„Auffällig ist, dass die jeweiligen US-Präsidenten sich in den Interventionen oftmals durchgesetzt haben, ohne dass die Kongressmitglieder von ihren verfassungsgemäßen Mitspracherechten Gebrauch machten.“ Dahinter steckt eine ausgefeilte Kommunikationstaktik, die sogenannte Identitätsrhetorik. Welchen Einfluss diese im politischen Diskurs ausübt, hat Herr erstmals umfassend untersucht: „Der Präsident drängt die Kongressabgeordneten rhetorisch in die Ecke, indem er sie an die Einzigartigkeit der USA und ihre besondere Verantwortung, demokratische Grundwerte in der Welt zu verbreiten und aufrechtzuerhalten, erinnert und sie so am tief verwurzelten nationalen Selbstverständnis des amerikanischen Exzeptionalismus packt“, fasst er zusammen.
Die gesamten Erkenntnisse, die Herr im Rahmen seiner Dissertation gewonnen hat, sind nachzulesen im Buch „The President as Communicator-in-Chief“, welches ebenfalls im Nomos-Verlag erschienen ist. „Meine Arbeit endet zwar in der Zeit der Präsidentschaft von Barack Obama“, so Herr. „Dennoch beobachte ich die amerikanische Außenpolitik natürlich auch weiterhin. Donald Trump hat es nachfolgend komplett abgelehnt, die Einzigartigkeit der USA an liberalen Grundwerten festzumachen, sondern hat vielmehr die militärische und wirtschaftliche Stärke in seiner Rhetorik hervorgehoben. Dies zeigt, dass die gemeinsame Verständigung auf demokratische Grundwerte als Grundfesten der amerikanischen Identität und Außenpolitik doch nicht so fest verankert zu sein scheint, wie wir vielleicht geglaubt haben. Sprich, wir können gespannt darauf sein, wie sich der politische Diskurs und die amerikanische Außenpolitik unter Joe Biden entwickeln wird.“
Weitere Informationen zu den Büchern inklusive Leseproben sind einsehbar unter:
https://www.nomos-shop.de/titel/no-blank-check-id-87671/
https://www.nomos-shop.de/titel/the-president-as-communicator-in-chief-id-87665/
Quelle Text/Bild:
TU Kaiserslautern
Hochschulkommunikation
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Kaiserslautern: 09.03.2021