Impulsgeber für medizinischen und biotechnologischen Fortschritt: Sind Blaugrünalgen die kleinen Superstars von morgen?

Cyanobakterien sind älter als die Menschheit und übernehmen im Stoffkreislauf der Erde eine zentrale Rolle: Sie fixieren Kohlendioxid und produzieren per Photosynthese Sauerstoff. Dass in Blaugrünalgen noch mehr Potenzial steckt, will jetzt ein Team aus Forschern der TU Dresden zusammen mit Dr. Michelle Gehringer von der TU Kaiserslautern sowie Wissenschaftlern der Hochschule Kaiserslautern beweisen. Sie entschlüsseln das Erbgut der Mikroorganismen um herauszufinden, ob und wie sich diese als Produzenten für ökonomisch und medizinisch wertvolle Wirkstoffe nutzen lassen. Hierfür hat das Team einen der begehrten Sequencing-Grants des Joint Genome Institutes (JGI), USA, eingeworben.

Für das menschliche Auge zu erkennen geben sich Cyanobakterien zum Beispiel bei der hitzebedingten Algenblüte auf der Oberfläche von Badeseen. Darüber hinaus bilden sie auch sichtbare Krusten bzw. farbige Überzüge auf Gestein oder am Boden oder leben symbiotisch in Pflanzen. Was sie in der Natur so wertvoll macht: „Die Blaugrünalgen haben noch vor den Pflanzen die Erde besiedelt und entscheidend dazu beigetragen, dass das Leben, wie wir es kennen, überhaupt entstehen konnte“, erklärt Dr. Michelle Gehringer, die an der TUK die Arbeitsgruppe Geo- und Umweltmikrobiologie leitet. „Sie haben, dank ihrer Fähigkeit Photosynthese zu betreiben die sogenannte ‚Sauerstoffkatastrophe‘ ausgelöst. So sind auf einen Schlag große Mengen an Sauerstoff in die Atmosphäre gelangt.“

Gehringer erforscht die Cyanobakterien schon seit über 20 Jahren. „Während meiner Doktorarbeit in Südafrika habe ich bereits begonnen die Blaugünalgen und die Stoffwechselnebenprodukte, die sie freisetzen, zu studieren“, so die in England geborene Wissenschaftlerin. „Bekannt sind beispielsweise die für Tiere und Menschen toxischen Substanzen, die während einer Algenblüte in Gewässer gelangen. Mein Interesse galt insbesondere der Frage, wie und unter welchen Umweltbedingungen die Organismen diese sogenannten Sekundärmetabolite produzieren.“ Seitdem gilt das Augenmerk der Forscherin der biologischen Vielfalt der Blaugrünalgen und, damit verbunden, ihrer Anpassungsfähigkeit an extreme klimatische Bedingungen. Mittlerweile hat sie eine große Anzahl an Stämmen in der Natur untersucht, im Labor kultiviert und die „Sammlung“ letztlich mit an die TU Kaiserslautern gebracht.

Blaugrünalgen als „Wirkstoff-Fabriken“ nutzen

Die Fähigkeit der Blaugrünalgen, neben den für den eigenen Metabolismus wichtigen noch weitere biologisch wirksame Stoffe zu produzieren, macht sich Gehringer jetzt im Verbund mit den Forscherkolleg*innen im Genomprojekt zu nutze. Im ersten Schritt entschlüsselt das Team das Erbgut von insgesamt 40 Cyanobakterienstämmen, um das gesamte Naturstoffpotenzial zu erfassen. Mit Einsatz von Methoden aus der synthetischen Biologie und Biotechnologie sollen die gewonnen Informationen nachfolgend für die gezielte Entdeckung neuer Wirkstoffmoleküle genutzt werden. Ultimativ geht es darum, wie und unter welchen Bedingungen es gelingen kann, dass die Algen nützliche und wirtschaftlich bedeutende Stoffkandidaten in großem Maßstab produzieren. In Zeiten von steigenden Antibiotikaresistenzen und Virus-Pandemien erhoffen sich die Forschenden insbesondere für den medizinischen Fortschritt entscheidende Erkenntnisse.

Weil Gehringer die Cyanobakterien oder „heimlichen Helden“ der Erdgeschichte wie keine andere kennt, haben Dr. Paul D’Agostino und Prof. Dr. Tobias Gulder (vom Lehrstuhl für Technische Biochemie an der TU Dresden und Hauptantragsteller des Genomprojekts) sie ins Team geholt. Ihre Aufgabe im Projekt: Zusammen mit ihrer Masterstudentin Katharina Ebel bereitet sie ein Drittel im Projekt untersuchten Bakterienstämme so vor, dass die JGI nachfolgend die DNA-Sequenzen bestimmen kann. Und sie erforscht, wie die optimalen Produktionsbedingungen gestaltet sein müssen, damit die Cyanobakterien ihre volle Leistung entfalten können.

„Dieses Projekt passt fachlich sehr gut zu den Forschungsschwerpunkten in unserem Fachbereich“, resümiert Gehringer. „Eine besondere Schnittstelle gibt mit der Arbeitsgruppe von Prof. Nicole Frankenberg-Dinkel, die unter anderem die für die Photosynthese verantwortlichen Pigmente der Cyanobakterien untersucht. Allen voran das rote, lichtinduzierte ‚Chlorophyll f‘, welches dafür sorgt dafür, dass Cyanobakterien sogar im Schatten noch Sauerstoff produzieren können.“

 

Weitere Informationen sind in der Pressemeldung der TU Dresden zum Thema zu finden:

https://tu-dresden.de/tu-dresden/newsportal/news/cyanobakterien-kleine-kandidaten-als-grosse-hoffnungstraeger-fuer-medizin-und-biotechnologie

 

Pressefoto: Abgebildet sind Dr. Michelle Gehringer (links) und ihre Masterstudentin Katharina Ebel (rechts).
Quelle an: TUK/Koziel

 

 

Quelle Text/Bild:
TU Kaiserslautern
Hochschulkommunikation
Gottlieb-Daimler-Straße 47
67663 Kaiserslautern

www.uni-kl.de

Kaiserslautern: 30.10.2020