Quantencomputing für die Energiewirtschaft: Neues BMWi-Projekt am Fraunhofer ITWM

Komplexe Optimierungsprobleme mit vielen, auch diskreten Variablen sind für klassische Computer in der Regel schwierig zu lösen. Erst kürzlich haben bestimmteArten von Quantencomputernbei der Lösung von Optimierungsproblemen vielversprechende Ergebnisseerzielt. Dabei zeigten sie das Potenzial, auchdiskrete Variablen handhaben zu können.Im Verbundprojekt »EnerQuant: Energiewirtschaftliche Fundamentalmodellierung mit Quantenalgorithmen«sollen die Vorteile von Quantencomputing nun für ein Optimierungsproblem aus der Energiewirtschaft genutzt werden. Das Projekt wird vomBundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)gefördert und ist Teil der Strategie vonFraunhofer, Quantencomputing für industrielle Anwendungen nutzbar zu machen. Am Fraunhofer-Institut für Techno-und Wirtschaftsmathematikwerden diese und weitere Aktivitäten im neu gegründeten Kompetenzzentrum »Quanten-High Performance Computing« gebündelt.

Interdisziplinäres Konsortium
Die Projektkoordination von EnerQuantübernimmt das FraunhoferITWMmit den Abteilungen Finanzmathematik und High Performance Computing. Weitere Partner sind das Kirchhoff-Institut für Physik der Universität Heidelberg (KIP), das Start-Up JoS QUANTUM GmbH aus Frankfurt am Main und die Universität Trient als assoziierter Partner. Von Fraunhofer-Seite ist zudem das Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung, Institutsteil Angewandte Systemtechnik IOSB-AST mit an Bord. »Unser interdisziplinäres Konsortium vereint die Expertise energiewirtschaftlicher Modelle und stochastischer Modellierung sowie High Performance Computing am Fraunhofer ITWM und Fraunhofer IOSB-AST, ihre Übersetzung auf das quantenmechanische Problem von JoS QUANTUM und die Entwicklung von spezifischen Quantensimulatoren am Kirchhoff-Institut«, erläutert Dr. Kerstin Dächert, Mitarbeiterin der Abteilung Finanzmathematik am Fraunhofer ITWM und Projektkoordinatorin.

Universelle Quantencomputer und Quantensimulatoren
Quantencomputer unterteilen sich in universelle Quantencomputer und auf spezialisierter Hardware beruhende Architekturen,wie zum Beispiel Quantensimulatoren. Universelle Quantencomputer sind derzeit auf kleinere Systemgrößen beschränkt, versprechen aber in Zukunft flexibel verschiedenste Probleme lösen zu können. Quantensimulatoren sind spezialisiert und daher schon heute zur Lösung individueller Problemstellungengut geeignet, z.B. im Bereich der Optimierung. Beide Technologien sind als komplementär zu betrachten und werdenmit speziell angepassten Algorithmen angesprochen. »Dieseeröffnen die spannende Aussicht, bestimmte Optimierungsprobleme zu lösen, mit denen klassische Algorithmen nicht oder nur begrenzt umgehen können«, erläutert Prof. Philipp Hauke von der Universität Trient.

Neue Wege zur Lösung des energiewirtschaftlichen Fundamentalmodells
»Kurzgefasst entwickeln wir im Projekt EnerQuant Algorithmen für Qubit-basierte Quantencomputer und Quantensimulatoren zur Lösung eines energiewirtschaftlichen Fundamentalmodells mit stochastischen Einflussgrößen«, erklärt Kerstin Dächert. Als Basis definieren die Forschenden ein einfaches Fundamentalmodell, welches sich in ein quantenmechanisches Problem übersetzen und auf einem Quantensimulator realisieren lässt. »Dieser wird in einem Prototyp aus kalten Atomen implementiert und auf seine Leistungsfähigkeit getestet«, so Juniorprofessor Fred Jendrzejewski vom KIP.»Unsere Intention ist, Fundamentalmodell und Quantensimulator sukzessive weiterzuentwickeln, mit dem langfristigen Ziel, den deutschen Strommarkt hinreichend genau stochastisch zu modellieren«,ergänzt Niklas Hegemann von JoS QUANTUM.Als Benchmark dient ein Vergleich der Ergebnisse auf klassischen High-Performance-Computing-Systemen.

Von der Forschung in die Anwendung
Die Ergebnisse von EnerQuantwerden in die Software-Plattform von JoS QUANTUM einfließen und stehen so der Industrie nach Projektende zur Verfügung. Dabei werden die entwickelten Algorithmen in die Cloud-Software integriert,mit der verschiedene Hardwareressourcen genutzt werden können.»Wir bieten Kunden aus dem Kapital-und Energiemarkt die Möglichkeit, Quantentechnologien kennenzulernen und mit uns konkrete Anwendungsfälle zu entwickeln. Über unsere Software lassen sich potenzielle Anwendungsfälle mit Anschluss an die passende Hardware effizient lösen«, erläutert Niklas Hegemann.EnerQuant läuft über drei Jahre und wird vom BMWi mit rund zweiMillionenEuro gefördert. Projektstart war imSeptember2020.

Bu: Optisches System zur Laserkühlung und Kontrolle von ultrakalten Natriumatomen im Labor am Kirchhoff-Institut für PhysikHeidelberg© KIP Heidelberg

 

Quelle Text/Bild:
Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik
Fraunhofer-Platz 1
67663 Kaiserslautern

www.itwm.fraunhofer.de

Kaiserslautern, 28.10.2020