JA, die Stadt bzw. der Stadtrat hat eine Wahl, obwohl das Ministerium sogar signalisiert hat, dass der Stadt noch nicht einmal die Entscheidung zusteht, mit welchem Projektie-rer ein eventuelles kommunales Projekt in Otterberg verwirklicht werden kann.
Nach diesem Signal aus dem Ministerium, fragen sich nicht nur die Bürgerinitiativen allen Erns-tes, ob in Rheinland-Pfalz noch das demokratische Grundprinzip praktiziert werden kann und darf.
Nicht nur, dass man die Stadt Otterberg glauben machen will, bei einer Planung von Windkraft-anlagen im Staatswald sei das Einvernehmen der Stadt entbehrlich, nein, man signalisiert deutlich mit welchem Projektierer das Ministerium diesen Windpark im Wald verwirklichen möchte und sogar, welche Variante des angeblichen Pilotprojekts man favorisiert.
Weshalb also hat man überhaupt beide Projektierer vor der Bürgerschaft zu Wort kommen las-sen? Hat das Ministerium die Firma GAIA über die anscheinend schon festgeklopften Entschei-dungen im Unklaren gelassen? Ist man sich im Ministerium bewusst, dass eine solche Beein-flussung Prinzipien einer Gleichbehandlung der Interessen, die vor allem in der Windkraftin-dustrie praktiziert werden, verstößt? Geht es hier wirklich noch darum, die Energiewende zu stemmen und dem Klimawandel entgegenzuwirken, wie das Ministerium es der Öffentlichkeit gebetsmühlenartig vorredet? Anscheinend nicht.
Ein Pilotprojekt, wie propagiert, ist in beiden Vorschlägen der Firma JUWI nicht zu erkennen. Für die vorgetragene physische Anbindung des Windpark müsste eine Stromleitung von den Windkraftanlagen durch den Wald bis in die Mitte der Stadt Otterberg verlegt werden. Von die-sem Anschlusspunkt in der Stadtmitte könnten dann fünf städtische Liegenschaft mit dem er-zeugten Windstrom versorgt werden und nur der Bereich der Straßenbeleuchtung, der in unmit-telbarer Nähe dieses Anschlusspunkts liegt, denn eine Versorgung der gesamten Straßenbe-leuchtung in Otterberg ist technisch nicht umsetzbar. Dies hat der Geschäftsführer der Abita Energie Otterberg GmbH bestätigt. Eine Versorgung nur weniger Stromnutzungskomponenten wird in Deutschland und auch in Rheinland-Pfalz schon hundert und tausendfach praktiziert und stellt kein Pilotprojekt dar. Die Sektorenkopplung eines Nahwärmenetzes, welche JUWI noch im März präsentiert hat, entfällt ebenfalls.
Die vorgetragenen bilanzielle Anbindung des Windparks, bei dem keine Stromleitungen verlegt werden und ein Speicher direkt bei dem Windkraftanlagen installiert wird, kann auch nicht als Pilotprojekt angesehen werden. Bei dieser bilanziellen Anbindung soll der Windpark, der Solar-park am Frohnberg und private Photovoltaikflächen virtuell gebündelt werden. Das Prinzip der virtuellen Speicherung und die Möglichkeit von diesem virtuellen Stromkonto bei Bedarf abzu-rufen, ist bei Weitem nichts Neues. Die EnBW, mit der die Firma GAIA zusammenarbeitet, bie-tet ein solches Verfahren schon länger für die Besitzer von privaten Photovoltaikflächen an und bezeichnet dies als Stromcloud. Was die Firma JUWI unerwähnt lies ist die Tatsache, dass eine solche virtuelle Stromspeicherung und auch der Stromabruf nicht umsonst zu haben ist. Da die Verwaltung solcher Einspeisungen und der Abrufe aufwändig ist, wird auch die Firma Abita Energie Otterberg GmbH, mit der JUWI dieses bilanzielle Anbindung verwirklichen will, diesen Dienst nicht kostenfrei anbieten, zumal man auch noch 1 ct/kWh auf die sonstige Einspeisevergütung drauf packen möchte. Eine bilanzielle Anbindung und die daraus resultierende virtuelle Stromeinspeisung und -nutzung ist eher kosten- als nutzenintensiv.
Vor Allem aber, wo liegt der zusätzliche Vorteil für die Stadt Otterberg? Die städtischen Liegen-schaften und ein kleiner Teil der Straßenbeleuchtung wird direkt mit Windstrom versorgt, statt von Abita, an der die Stadt einen 25,1-prozentigen Anteil hält. Weniger Stromabsatz bei Abita bedeutet auch weniger finanzielle Ausschüttung an die Stadt als Anteilseigner.
Der Vorteil für die Stadt in Fall einer bilanziellen Anbindung ist und war in der Präsentation nicht erkennbar. Ob, und in welcher Höhe eine Ausschüttung aus einem Solidarpakt überhaupt erfolgt, kann noch nicht festgezurrt werden, denn dazu müssten JUWI und GAIA die Höhe der Pachtzahlungen an Landesforsten offen legen. Auf bloße Schätzungen sollte man sich lieber nicht verlassen. Auch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass diese bilanzielle Anbindung ein Bürgerbeteiligungsinstrument darstellt, und sich die propagierte Vergütung aus dem EEG, die JUWI mit 100.000 € bezifferte, schneller halbieren könnte als den Mitgliedern des Stadtrats lieb ist. Es ist immer besser, wenn man das Kleingedruckte des Eckpunktepapiers aus dem Bundeswirtschaftsministerium liest, bevor man sich von gewieften Projektierern womöglich über den Tisch ziehen lässt.
Das Ministerium betont immer wieder, dass Landesforsten Flächen im Staatswald in kommuna-le Projekt einbringt, und diese in üblicher und kooperativer Weise (z.B. mit Beteiligung an kommunalen Solidarpakten) umsetzt.
Was versteht das Ministerium unter kooperativ, wenn man den Kommunen die Pistole auf die Brust setzt und ihnen vorschreibt, mit welchem Projektierer diese ein kommunales Projekt um-zusetzen hat?
Was auf der Homepage des Ministeriums aber auch zu finden ist, ist folgende Aussage zu Windkraftanlagen im Staatswald: Als größte waldbesitzende Körperschaft nimmt sich Landes-forsten der öffentlichen Aufgabe einer nachhaltigen Energieversorgung auf regenerativer Basis an und bemüht sich aktiv um geeignete Windenergiestandorte auch im Staatswald, wenn dies in enger Abstimmung und einvernehmlich mit den Kommunen möglich ist. Landesforsten bringt sich daher auch mit geeigneten Standorten im Staatswald in kommunale Solidarpakte ein. Hierdurch kann die Windenergie auf gut geeignete Standorte konzentriert werden, wodurch einer ungeregelten Entwicklung entgegengewirkt wird.
Um den Kommunen vorzugaukeln, sie hätten keine Wahl, hat das Ministerium den Satzteil mit der engen Abstimmung und dem Einvernehmen der Kommune einfach durch den Satzteil „in üblicher und kooperativer Weise“ ersetzt. Eine Entscheidung, dass eine enge Abstimmung und das Einvernehmen mit der Kommune, in der Umsetzung von Windkraftanlagen im Staatswald, nicht mehr zu praktizieren ist, wurde weder im gültigen Koalitionsvertrag, noch durch einen Beschluss im Landtag getroffen.
Daher gilt weiterhin.
Die Stadt Otterberg hat eine Wahl, denn Flächen im Staatswald werden nur in enger Abstim-mung und einvernehmlich in Windenergieprojekte von Landesforsten eingebracht.
Die Entscheidung für oder gegen Windkraft im Otterberger Wald, der ein intakter Laub-Misch-Wald ist und den letzten drei Dürresommern getrotzt hat, sollte keineswegs vom finanziellen Profit für die Stadt abhängig gemacht werden.
Quelle Text:
Sybille Neumann
Neue Ziegelhütte 2
67699 Schneckenhausen
Schneckenhausen, 18.08.2020