Windräder nun auch in Otterberg?

Unter dieser Überschrift erschien hier am 15.03. ein Artikel von Andreas Markus, Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen in Otterberg und Mitglied des Stadtrates. Diese Darlegungen können nicht unwidersprochen bleiben, da sie unzulängliche Vergleiche anstellen und falsche Schlüsse ziehen sowie Bürgerinnen und Bürger falsch informieren.

Die Grünen in Otterberg wollen zur Rettung der Welt und zur Sanierung der Stadtkasse beitragen, indem sie einen beträchtlichen Teil des Otterberger Waldes opfern.
Eine Mehrheit dazu ist im Stadtrat nicht zu erwarten, denn SPD und CDU haben sich in der Kom-munalwahl 2019 gegen Windräder im Wald ausgesprochen.
Mit der Ablehnung schlügen die „Neinsager“ so J. Neißer auch die Offerte von JUWI/MVV aus, günstigen Ökostrom (17,85 ct/kWh) als Heizstrom für die geplante Nahwärmeversorgung zu lie-fern.
Eine Aussage dazu, ob die finanziell klamme Stadt Otterberg die Kosten für die Nahwärmeversor-gung einschließlich der Folgekosten überhaupt stemmen kann, wird nicht getroffen.
Ebenso unerwähnt bleiben die Tatsachen, dass sich Otterberg im Gegenzug zu den „Werbege-schenken“ mit langfristigen Verträgen an MVV binden müsste und, dass interessierten Bürgern der lokal erzeugte Windstrom nicht verbilligt, wie suggeriert wird, sondern zu einem ganz normalen Ökostromtarif über die Grünstromwerke zur Verfügung gestellt werden würde (z. Zt. 30,46 ct/kWh).
Mit dem Verzicht auf das als „Pilotprojekt“ verbrämte Vorhaben, würden der Stadt auch die 20 Pro-zent der ihr im Rahmen eines Solidarpaktes mit dem Forst zugestandenen Pachteinnahmen entge-hen. Ein Betrag wird hierfür nicht genannt, er soll sich aber im fünfstelligen Bereich bewegen, der aber lt. Vorgabe der Landesregierung in einen Solidarfonds zu fließen hat, an dem alle Ortsgemein-den der Verbandsgemeinde partizipieren. Was letzten Endes davon in der Stadtkasse landen wür-de, ist offen. „Dies müssten dann die Neinsager im Stadtrat ihren Bürgerinnen und Bürgern erklä-ren“ meinen die Grünen. Wir meinen, dass im Gegenteil die Grünen in Erklärungsnot kommen, spä-testens dann, wenn der Wald abgeholzt wird, die Wege aufs Doppelte verbreitert werden, monate-lange schwerbeladene LKWs durch die Ortschaften donnern und zu den drei in Genehmigung be-findlichen Riesen-Windrädern 5-6 weitere die Skyline von Otterberg verschönern.

Wir spüren alle die Folgen der globalen Klimaerwärmung und wissen um die Dringlichkeit der Ener-giewende. Es ist auch keine Frage, dass lokal gehandelt werden muss. Aber ist dies der richtige Weg? Die Otterberger Grünen begrüßen das Otterberger Windparkkonzept als eine willkommene Möglichkeit, einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Herr Markus schießt aber weit über das Ziel hinaus, wenn er das Projekt direkt mit der „Existenzfrage für uns Men-schen“ verknüpft. Das vereinfacht das Nachdenken. Wenn es um Sein oder Nicht sein geht, ist eben alles andere egal. Die durchzuführenden Genehmigungsverfahren, meint Herr Markus, wür-den uns im Übrigen vor allzu großen Eingriffen schützen und eine ausgleichende Gerechtigkeit herstellen. Das ist mit Verlaub, ein sehr naiver Standpunkt.
Wir, die Otterberger Bürgerinitiative gegen Windkraft im Wald, denken, dass differenziertes Nach-denken und kritisches Hinterfragen auch 5 Minuten vor, ja sogar 3 Minuten nach der Katastrophe angebracht sind.

Ob die Windradtechnologie dem Planeten Erde entscheidend weiterhilft, ist umstritten. In der Bun-desrepublik wurden 2019 4,79 Prozent des Endenergieverbrauches durch Windkraft bereitgestellt (Quelle: https://www.umweltbundesamt.de).
Dass die Windenergie nur infolge der milliardenschweren Subventionen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (2018: 7,7 Mrd. Euro) wirtschaftlich ist, ist ebenso bekannt wie die Tatsache, dass diese Steuergelder zu einem großen Teil in den Taschen der Windrad- bzw. Netzbetreiber verschwinden. Weiterhin ist es kein Geheimnis, dass die Binnenland-Windräder wegen des fehlen-den Windangebots nur einen Bruchteil ihrer installierten Leistung (=Nennleistung) erreichen. Dar-über hinaus liefern sie bei Flaute keinen Strom, sind also nicht grundlastfähig. Eine wirtschaftliche Technologie zur Speicherung der unregelmäßig erzeugten Energie fehlt – alle Energie muss zum Zeitpunkt der Erzeugung wegtransportiert und verbraucht werden. Zudem hinkt der Netzausbau bekanntermaßen hinterher.

Die pro Windradstellfläche benötigten 0,6 bis bis 0,8 Hektar Wald zusätzlich zu opfern, scheint Herrn Markus angesichts der Klimakrise gerechtfertigt, zumal Agrarministerin Klöckner den Wald-schäden ja ohnehin mit 110.000 Hektar Neuaufforstungen begegnen will.

Worauf gründet der Autor die Behauptung, dass ein Windrad 400 mal mehr Kohlendioxid einspare, als die für seine Aufstellung benötigte Waldfläche zu speichern vermag eigentlich? Kann er diese Berechnung belegen?
Über die Ökobilanz der modernen Windradtechnologie gibt es kaum unabhängige vergleichende Studien [https://www.naturschutz-energiewende.de/fragenundantworten/148-2/]. Meist wird nur die CO²-Einsparung bilanziert und ins Verhältnis zum CO²-Ausstoß konventionell erzeugter Energie gesetzt. Korrekterweise müssten alle Schadstoffemissionen und der Ressourcenverbrauch über den gesamten Lebenszyklus, d. h. von der Gewinnung der Rohstoffe über die Herstellung und den Bau, bis zur Verschrottung betrachtet werden. Eine neuere wissenschaftliche Arbeit [http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/27064] kommt zu folgendem Schluss: „Es stellt sich her-aus, dass regenerative Erzeugungsanlagen zwar dabei helfen können, einen Teil der Emissionen zu vermeiden, jedoch geht dies zu Lasten höherer Emissionswerte in anderen Bereichen und eines teilweise deutlich gesteigerten Ressourcenbedarfs.“

Abgesehen davon sind in der Rechnung des Herrn Markus „CO²-Bilanz-versus-Flächenverbrauch“ mehrere Ansätze falsch:
Der Flächenverbrauch beläuft sich aller Erfahrung nach auf das 2 bis 3-fache (s. u. a. Peter Wohlleben: Der Wald – eine Entdeckungsreise). Insofern beruhen die meisten vergleichenden Effizienz-darstellungen kWh/qm für Windkraft auf einer falschen Grundlage. Zusätzlich zur Stell- und Montagefläche müssen die Zufahrtswege ebenfalls großflächig gerodet und für Schwerlasttransporte her-gerichtet werden. Die von JUWI benannten 4,5 – 5 Meter in der Breite reichen bei Weitem nicht aus. Vor 6 Jahren ging man bei Planungen im Mehlbacher Wald bereits von 7 – 7,5 Metern aus. Für den Otterberger Wald ist von einem Flächenbedarf für die geplanten 5 – 6 Windräder von insgesamt mehr als 12 – 14 Hektar auszugehen. Die von Windturbulenzen und rhythmischen Dauergeräu-schen beeinflusste Kernfläche beläuft sich auf 170 Hektar, das ist rund ein Viertel des Staatswal-des im Norden von Otterberg. Auf dem Bocksrück zwischen Gonbach und Sippersfeld kann man gratis eine Hörprobe nehmen, wobei diese Riesen-Windräder nur 200 und keine 250 Meter hoch sind, wie die im Otterberger Staatsforst geplanten.
Die versprochenen Ersatzaufforstungen sind kritisch zu betrachten. Es werden bei weitem nicht die Flächen wieder aufgeforstet, die verloren gehen. Nach Landesrecht sind nur im Falle von naturschutzfachlich sehr wertvollen Flächen strengere Maßstäbe an die Aufforstungsverpflichtung zu stellen. Einen altersgemischten Wald können planmäßige Flächenaufforstungen nicht ersetzen. Und wie soll in den bevorstehenden Dürresommern eine Bewässerung der Jungbäume sicherge-stellt werden?

Der Wald wird hier nur als ein Faktor in einer Gleichung betrachtet; übersehen wird, dass er mehrfach in die Gleichung eingeht. Außer Acht gelassen werden seine Funktionen für die Naherholung, als Ökosystem, als Klimapuffer und Grundwasserspeicher, als Lebensraum für Pflanzen und Tiere.

Die naturgegebene Dynamik von Tierpopulationen (Vogelzug, Horstsuche, Nahrungssuche, Auf-zucht der Jungen) und ihre Gefährdungslage durch Windräder lassen sich nicht für eine Betriebs-dauer von 20 Jahren aufeinander abstimmen.

Sauerstoff und Wasser sind unsere Lebensgrundlagen. Unser Trinkwasser speist sich zu 95 % aus dem Grundwasserreservoir. Ein Kubikmeter Waldboden speichert bis zu 200 l Wasser und führt es sukzessive dem Grundwasser zu. Großflächige Versiegelung und Verdichtung des Wald-bodens stören den Grundwasserhaushalt empfindlich.

Windräder produzieren Strom, während Bäume Sauerstoff produzieren. Ein Laubbaum von 15 – 20 Meter Höhe produziert im Jahr 3 Millionen, eine Fichte oder Tanne rund 8 Millionen Liter Sauerstoff.
Völlig außer Acht gelassen wird, dass Bäume der Atmosphäre CO² entziehen und den Kohlenstoff im Holz speichern. Eine im letzten Jahr im namhaften Wissenschaftsjournal „Science“ publizierte Studie zeigt anhand umfangreicher, quantitativer Analysen, dass Aufforstung sogar der effektivste Klimaschutz überhaupt wäre. [https://www.tagesschau.de/ausland/klimawandel-aufforstung-eth-101.html; https://www.crowtherlab.com]. Auch wenn hierüber das letzte Wort noch nicht gespro-chen ist, ist es völlig unbestritten, dass die Aufforstung ein wesentlicher Faktor bei der CO2-Reduktion sein muss. Die weltmaßstäblich denkenden Otterberger Grünen favorisieren hingegen derzeit noch den Kahlschlag. Sie haben offenbar nicht mitbekommen, dass Windkraftanlagen im Wald von Experten inzwischen sehr kritisch gesehen werden.

Völlig außerhalb seiner Betrachtungen lässt Herr Markus auch die viel zu geringen Siedlungsab-stände zur nächstliegenden Wohnbebauung, wie beispielsweise dem Messerschwanderhof. Der Projektentwickler GAIA schöpft in seiner Planung die in Rheinland-Pfalz zulässigen 500 Meter fast völlig aus, ohne überhaupt zu bemerken, dass der Hof in Hauptwindrichtung zu den Windturbinen liegt. (JUWI bleibt 1.100 Meter auf Abstand). Diese Ungleichbehandlung von Mitgliedern der Orts- und Verbandsgemeinde (Otterberg-Stadt: 1.600 Meter) ist menschenverachtend und diskriminie-rend.

20.03.2020
Autoren Sibylla Hege, Sybille Neumann

Quelle Text:
Otterberger Bürgerinitiative „Gegen Windkraft im Otterberger Wald“
c/o Sibylla Hege
Messerschwanderhof 2
D-67697 Otterberg

Kaiserslautern, 20.03.2020